„Mach einfach!“ –
MarktTreff: Wie aktivieren wir mehr
junge Menschen?
Erfahrungsberichte aus Einzelhandel, Gemeinde- und Vereinsleben
K i e l MT 01.03.2022 – Wie begeistert eine Gemeinde junge Menschen für Engagement und Ehrenamt? Wie lebt ein junger Kaufmann Verantwortung in einem MarktTreff-Laden? Wie macht eine junge Vorsitzende „ihren“ MarktTreff-Verein fit für die Zukunft? Lesen Sie drei anregende Geschichten aus der MarktTreff-Familie, die Mut machen. Lutz Martensen ist Bürgermeister in Ladelund, Maik Cornelius leitet den Laden in Wewelsfleth und Mareike Jüngling ist Vorsitzende des Holmer MarktTreff-Vereins. Sie alle eint ein frischer Blick und ihre „Anpack-Mentalität“.
Wer sich mit Lutz Martensen über die Entwicklung seiner Gemeinde Ladelund (Kreis Nordfriesland) unterhält, wird gleich angesteckt von seiner Begeisterung. Seit zweieinhalb Jahren ist er Bürgermeister im Dorf nahe der Grenze zu Dänemark. „Aber lassen Sie uns mal 23 Jahre zurückblicken. Da hat es bei mir angefangen mit ehrenamtlicher Arbeit“, sagt Martensen. Mittlerweile ist Martensen 50 Jahre alt und schaut auf einen vielschichtigen Lebenslauf: Hauptschule, Bürokaufmann, Wirtschaftsassistent, Betriebswirtschaftslehre. „Der Schlüssel zum Ehrenamt ist für mich Dankbarkeit und Wertschätzung.“ Die habe er in all den Jahren häufig erfahren – und diese Einstellung vermittelt er heute weiter.
Besonders junge Menschen liegen ihm am Herzen und Martensen teilt gern seine Erfahrungen: „Du musst aktiv auf die Jugend zugehen, ein offenes Ohr haben. Und die jungen Leute direkt fragen, was ihre Wünsche und Vorstellungen angeht.“ In der Praxis hat er das gerade wieder mal erfolgreich durchgeführt: bei der Ladelunder Bikebahn. Seit drei Monaten ist der Fahrradpark die Attraktion in der 1.350 Einwohner zählenden Gemeinde. „Die Idee dazu kommt direkt von den 12-, 13-Jährigen. Und dann haben Jung und Alt das Projekt in gemeinsamer Arbeit umgesetzt.“ Rund 30 Eltern haben mit angepackt und vor allem: Alle sind miteinander ins Gespräch gekommen – „sonst sind die Jungen ja nur noch digital unterwegs und reden kaum noch“. Getragen wird die Bikebahn von der Gemeinde oder besser vom JugendTreff Ladelund im MarktTreff. „Die Jungen kümmern sich schon selbst um ihre Bahn.“ Nicht selten, dass Bike-Begeisterte aus 50 Kilometern Entfernung nach Ladelund kämen. Die Bahn sei ein echter Attraktivitätsfaktor für die Gemeinde – und schmücke deshalb die Internet-Startseite von ladelund.de.
Lutz Martensen denkt noch weiter. „Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, müssen wir verstärkt auf junge Menschen zugehen.“ So plant er für dortige Vereine einen Workshop, der allen „einen Spiegel vorhalten soll“. Zentrale Frage: Was wollen die Jungen? Und dann müsse man Jugendlichen Freiräume geben und ihre Ideen zulassen. In Ladelund bleibt es nicht bei Ankündigungen, die Gemeinde stellt regelmäßig Mittel für die Umsetzung bereit. „Das ist ein großer Ansporn, sich wirklich aktiv einzubringen.“
Die Gemeindevertretung besteht hauptsächlich aus jungen Mitgliedern, „mit meinen 50 gehöre ich schon zu den Älteren“. Und die Jungen machen Druck: So soll ein Gewerbegebiet für interessierte Betriebe entstehen. „Wir sind optimistisch, dass wir 2022 noch damit starten können.“ Insgeheim, das ist zu spüren, dauert es allen Beteiligten in Ladelund zu lange.
Die Gemeinde wächst, Grundstücke sind sofort verkauft. Deshalb plant die Gemeinde weitere 45 Bauplätze: „Dafür haben wir schon eine lange Warteliste.“ Der eigene Kindergarten sei von 40 auf 120 Plätze angewachsen, auch hier seien weitere 40 Kinder „in der Warteschleife“. Und Martensen hat noch einige Pläne für seinen attraktiven Standort: „Wir wollen mit unseren dänischen Nachbarn stärker in den Austausch kommen. Denn die sind genauso offen und aktiv wie wir.“
Karrieresprung im MarktTreff nicht bereut
In Wewelsfleth (Kreis Steinburg) steht ein alteingesessener Kaufmannsladen, der in den vergangenen Jahren mehrere Pächterwechsel mitgemacht hat. So wie Maik Cornelius. Seine persönliche Geschichte liest sich so: 2012 als Packhilfe begonnen, dann ein Jahr Praktikum. 2014 Ausbildung zum Verkäufer, anschließend ein Jahr drangehängt für den Kaufmann im Einzelhandel. Und im März 2020 kam dann „seine“ Chance: die Übernahme der Ladenleitung – mit damals gerade einmal 24 Jahren.
Der junge Mann kennt alle Leute im Ort und weiß, wie es in Wewelsfleth in der Wilstermarsch läuft. Das waren für den heutigen MarktTreff-Ladenpächter Ingo Engelbrecht die wesentlichen Argumente. Und er hat volles Vertrauen in Herrn Cornelius. „Als das Angebot kam, habe ich nicht lange gezögert“, sagt der junge Mann. Die Entscheidung habe er bis heute nicht bereut. Zugleich sei er Herrn Engelbrecht sehr dankbar für die fortwährende Unterstützung.
Heute zieht der mit Förderung durch das Land Schleswig-Holstein etablierte MarktTreff mit seinem Laden pro Tag rund 400 Kundinnen und Kunden an. „Die kenne ich fast alle, mit den meisten bin ich per Du.“ Dies sei so üblich in der schmucken Gemeinde an der Stöhr. Von vielen Kunden weiß Herr Cornelius, was in den Einkaufswagen kommt, denn sie besuchen täglich den MarktTreff. Zu diesen Stammkunden kommt noch eine große Anzahl von immer wieder neuen Gesichtern: Menschen aus Polen, Russland, der Türkei und weiteren Ländern. „Das sind meist Monteure, die auf der Peters Werft im Schiffbau tätig sind.“ Die Werft hat Wurzeln, die bis ins Jahr 1871 zurückreichen und sie ist einer der großen Arbeitgeber in der 1.300 Einwohner zählenden Gemeinde. Wenn Herr Cornelius aus dem Laden blickt, sieht er das Wasser und die Werftkräne.
Was ihn am meisten stört bei der Arbeit, ist der weiter zunehmende Papierkram. „Wir gehören ja zur REWE mit unserem Nahkauf-Markt. Die sind schon recht digital unterwegs“, erläutert Cornelius. Er könne sich weitere Vereinfachungen vorstellen „anstelle dreifach ausgedruckter Lieferscheine“. Und bei der Post würde sich gefühlt täglich etwas verändern. Zum Abschalten setzt er sich nach Feierabend an den Rechner und spielt: aktuell Rainbow Six Extraction und Anno 1800. „Das brauche ich manchmal, um meinen Kopf freizubekommen.“
Seine Freunde finden „Maiks Arbeit schon cool“, selbst würden sie diese verantwortliche Position aber nicht einnehmen wollen. „Das ist denen einfach zu stressig.“ Ware bestellen, Lieferungen annehmen, Regale bestücken, Schichtpläne fertigen und überwachen, Lotto und Post, Lieferdienst und Kassenabrechnung. Und immer ein freundliches Wort für Kundinnen und Kunden. Herr Cornelius hat sieben Aushilfen an seiner Seite. Wenn es wirklich einmal klemmt, hat Pächter Herr Engelbrecht „immer ein offenes Ohr“ für ihn. Zudem ist er in der Region mit anderen Anbietern der „MarktTreff-Familie“ – in Beidenfleth und St. Margarethen – regelmäßig im kollegialen Austausch. So zieht Maik Cornelius bisher für sich eine positive Bilanz und rät Gleichaltrigen: „Nutzt Eure Chancen. Und setzt Euch dafür ein.“
MarktTreff-Verein belebt das gesamte Dorf
„Ich brauche eine gute Portion Action“, sagt Mareike Jüngling lächelnd ins Telefon. Manchmal werde sie von der Familie schon gebremst, wenn es zu viel werde. Die 38-Jährige ist seit rund acht Jahren in der Gemeindevertretung von Christiansholm (Kreis Rendsburg-Eckernförde) aktiv. Als damals der Vorsitz des Holmer MarktTreff e. V. vakant wurde, hat der Bürgermeister Mareike angesprochen und „ich habe das einfach gemacht“. Dieses „einfach machen“ ist für die engagierte Mutter zweier Kinder überhaupt ein Schlüssel für künftiges Vereinsleben: „Wissen Sie, wir haben in unserem Verein keine feste Mitgliederzahl und erheben auch keine Beiträge. Bei uns ist das ganze Dorf der Verein.“ Christiansholm hat rund 240 Einwohner:innen.
Ziel des Vereins ist es, das Dorf zu beleben. Alle werden angesprochen, von Kleinkindern bis zu Senioren. Es wird gebacken, gekocht, gespielt, die Älteren treffen sich alle 14 Tage hauptsächlich zum Klönen. Zusammen kommt man zu besonderen Anlässen wie Kinderfest und Dorffest. Hierbei werden Einnahmen generiert als finanzieller Grundstock für die Vereinskasse. So lief es gut, bis Corona die „große Pause“ einläutete. Dieser Bruch hat natürlich auch den Menschen in Christiansholm und dem MarktTreff e. V. spürbar zugesetzt.
„Am Anfang war die Zeit zum Runterfahren noch ganz erholsam. Ich habe es genossen, nicht permanent unter Druck zu stehen.“ Aber jetzt solle es endlich wieder losgehen mit gemeinsamen Aktivitäten, denn man habe viel nachzuholen. Mareike Jüngling macht sich Gedanken über diesen Neustart und freut sich besonders auf den Mai. Dann findet „unser Kultur-Nachmittag“ statt mit der Fahrbücherei, die seit kurzem in der Gemeinde am neuen Dorfgemeinschaftshaus Halt macht. Für die Kleinen wird vorgelesen, die Senioren erhalten Einweisungen und Tipps zur besseren Handy- und Tablet-Nutzung.
„Flexibilität und Offenheit“ sind Jünglings Stichworte, wenn sie nach Ratschlägen zur Vereinsarbeit gefragt wird. „Wir kommunizieren über eine eigene WhatsApp-Gruppe, damit erreiche ich rund 100 Leute.“ Wenn etwas geplant wird, ist dies der Weg, um Ideen auszutauschen. Oder es werden so Menschen für konkrete Tätigkeiten gefunden: „Ausschank bei Festen zum Beispiel. Das hat bisher immer geklappt.“
Und so ganz nebenbei erwähnt Jüngling im Gespräch dann noch, dass sie zum ehrenamtlichen Trainerstab des Fußballvereins gehört und seit 13 Jahren aktive Feuerwehrfrau ist. Ihr Resümee aus all ihren Tätigkeiten: „Du solltest mit der Zeit gehen, offen und flexibel sein. Kurz zusammengefasst: Mach einfach!“ Klingt fast nach einer Stellenbeschreibung fürs Ehrenamt – gerade nach Corona.
Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs
Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de
Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de
Fotos:
Markus Scholz / MarktTreff Schleswig-Holstein, privat