MarktTreff-Labor 2025: Innovative Nahversorgung und Ausblick auf Künstliche Intelligenz
+++ 20 Jahre MarktTreff Medelby +++ Tag des Norddeutschen Handels: Wie Personal gewinnen? +++
K i e l MT 22.10.2025 – Ländliche Gemeinden und der Einzelhandel stehen weiter vor großen Herausforderungen und zugleich vor neuen Chancen. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten. Gerade in den vergangenen Jahren haben junge Unternehmen das Potenzial der ländlichen Räume erkannt und neue Geschäftsmodelle entwickelt. Diese Bereicherung stärkt heute schon einzelne Gemeinden – die Vielfalt der Modelle eröffnet den Verantwortlichen vor Ort mehr Auswahlmöglichkeiten.
Vor diesem Hintergrund trafen sich jüngst Vertreter:innen von Großhandel, Start-ups, Betreiber:innen, Bürgermeister:innen und Expert:innen zu einem MarktTreff-Labor „Innovative Nahversorgung“.
Die damit verbundene Themenvielfalt sorgte für angeregte Diskussionen und Austausch: von der Anbindung der stationären Filialen an Online-Shops und Apps bis zu Verkaufsautomaten „der nächsten Generation“; von Margenmix bis KI-generierte Rezeptideen auf Basis des im MarktTreff-Laden verfügbaren Sortiments; von Kommunalrecht in Bezug auf Discounter-Ansiedlungen bis zur Kauffrau als persönlicher Ansprechpartner und „Gesicht“ für Kund:innennähe und -bindung.
Einen Blick in die Zukunft gewährte dabei Prof. Dr. Florian Schatz von der Fachhochschule Kiel. Sein Thema sorgte für besondere Aufmerksamkeit: „Künstliche Intelligenz und Kundenservice“. Das Treffen fand statt beim MarktTreff-Partner Schleswig-Holsteinischer Gemeindetag (SHGT).
Oben nicht im Bild: Thorsten Bausch (ENSO eCommerce /
Tante Enso)
Stimmen zum MarktTreff-Labor „Innovative Nahversorgung“
Ina Alter, Ministerium für ländliche Räume
„Ziel war es, bestehende Strategien für Nahversorgung und neue Geschäftsmodelle in diesem Bereich kennenzulernen. Ich bin überrascht, wie vielfältig und professionell die Unternehmen in Schleswig-Holstein bereits heute ‚innovative Nahversorgung‘ praktizieren. Nun gilt es, gezielt zu schauen, ob und wie wir hieraus Ideen für die Weiterentwicklung des Projekts MarktTreff ableiten können. Ich danke allen Teilnehmenden für den offenen Austausch – das ist unter Wettbewerbern nicht selbstverständlich. Und natürlich an Herrn Prof. Dr. Schatz für die überaus anschauliche Einführung in die KI.“
Hans Joachim Am Wege, Schleswig-Holsteinischer Gemeindetag (SHGT)
„Wir waren gern Gastgeber des MarktTreff-Labors. Solche Austauschformate verdeutlichen immer wieder aufs Neue: MarktTreff und seine regional umgesetzten Projekte sind bundesweite Botschafter für das Land und zeichnen sich weiter aus durch hohe Offenheit plus Innovationskraft. Das haben uns gleich mehrere der Referenten heute bestätigt.“
Zusammenfassend – als gemeinsamer Nenner der Akteure im Plenum
Der „Mensch bleibt im Mittelpunkt“ – 24/7-Einkauf müsse erhalten werden – „Experimente“ sollten gefördert werden – Grundlagen und Möglichkeiten der KI sollten vermittelt werden
Frank Jedicke, Bürgermeister MarktTreff-Gemeinde Kirchbarkau
„Eine große Hilfe für viele Kaufleute und Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler in MarktTreffs wäre es, wenn wir administrative Pflichtaufgaben, Organisations- und Verwaltungsvorgänge vereinfachen könnten und damit die Akteure ‚auf der Fläche‘ entlasten – ob mit Automatisierung per Algorithmus oder in Zukunft mit praktikabler und seriöser KI. Wir hätten dann mehr Zeit für den persönlichen Kontakt und Austausch mit den Kund:innen.“
Prof. Dr. Florian Schatz, FH Kiel
„Der Austausch mit den Akteuren des MarktTreff-Labors beim Gemeindetag hat mir viel Freude bereitet.
Die Nahversorger gehen interessante digitale Wege – das war ein Austausch mit einer Reihe anregender Impulse.“
+++ 20 Jahre MarktTreff Medelby +++
Im Herbst 2005 ist der MarktTreff Medelby im Kreis Schleswig-Flensburg feierlich eröffnet worden – nun feierten die Betreiber gemeinsam mit den Bürger:innen das 20-jährige Bestehen.
„Bei uns drohte Anfang der 2000er-Jahre die Grundversorgung wegzubrechen“, erinnert sich Wilfried Bossen vom ortsansässigen Gewerbeverein, der Interessengemeinschaft der Selbstständigen (IdS). „Deshalb haben wir uns als Unternehmer gemeinsam mit Einwohnern und weiteren Interessierten aus den benachbarten fünf Umlandgemeinden – dem Kirchspiel – zusammengetan.“ In mehreren Workshops habe man einen konkreten Plan entwickelt: „Wie retten wir die wirtschaftliche und nicht zuletzt soziale Klammer hier vor Ort?“ Das dabei erarbeitete MarktTreff-Konzept mit den drei bekannten Säulen Einkaufen, Dienstleistungen und Treff kam bei der Gemeindepolitik gut an. Binnen Jahresfrist begann die Planung, das Einholen der Förderung beim Land und schließlich die Realisierung auf einer vormaligen Brachfläche im Medelbyer Ortskern.
Von Beginn an dabei unter dem Dach des MarktTreff-Neubaus: der EDEKA Frischemarkt Jürgensen, die Versicherungsagentur (Provinzial), eine Selbstbedienungs-Tankstelle (team), Bäckerei mit Café sowie Dienstleistungen wie Post, Lotto, Reinigungsannahme, Tourist-Information, verschiedene Verkaufswagen und Treff-Angebote – mittlerweile ergänzt um die Station für vereinsgetragenes E-Carsharing (Dörpsmobil SH), den Bürgerbus, Cashback und mehr.
„Wir danken allen Kundinnen und Kunden für die große Treue“, sagt Marktleiter Tjerk Jürgensen, der seit Eröffnung des Frischemarkts vor Ort dabei ist. Neben Dankbarkeit für die zwei Jahrzehnte währende Zusammenarbeit am Standort lenkt Jürgensen anlässlich des Jubiläums den Blick nach vorn: „Mit unserem Konzept der neuen Ladenöffnung – von 7 bis 15 Uhr personalbesetzt und von 15 bis 20 Uhr bargeldloses Einkaufen in Selbstbedienung – haben wir den richtigen Schritt in die Zukunft getan.“
Und IdS-Vorsitzender Bossen fasst zusammen: „Da sind sich sicherlich alle einig: Der MarktTreff war seinerzeit die wichtige Initialzündung für den Ort. Viele weitere Projekte folgten.“ Die Umstellung in diesem Jahr auf innovatives Hybrid-Einkaufen sei das jüngste in dieser Reihe.
+++ Tag des Norddeutschen Handels: Wie Personal gewinnen? +++
Bereits seit 2008 ist der Tag des Norddeutschen Handels der Treffpunkt und die Plattform für den Handel im Norden – ausgerichtet von der offiziellen MarktTreff-Partnerorganisation Handelsverband Nord (HV Nord). Jüngst trafen wieder Entscheider:innen aus Wirtschaft, Kammern und Verbänden mit Handelsvertreter:innen und Unternehmer:innen in Lübeck zusammen und informierten sich über aktuelle Themen. In gleich mehreren Vorträgen, Diskussionen und Workshops kam der „Dauerbrenner“, Personalnot und -gewinnung, zur Sprache.
Für MarktTreff Schleswig-Holstein war Freimut-Christian Tiesmeyer-Roller vom landesweiten Projektteam vor Ort und fasst zusammen: „Anwerben und langfristiges Binden von Mitarbeitenden betrifft alle Akteure in der Handelsbranche. Das diesjährige Motto des Handelstags war ‚Partnerschaften und Kooperationen‘ – dabei haben sich Gäste offen und über Wettbewerbergrenzen hinweg ausgetauscht.“
So wurde unter anderem als Erfolgsfaktor genannt: Recruiting braucht persönliche Ansprache – „Die Zeit der anonymen Serienbriefe und Anzeigen ‚Wir suchen …‘ ist vorbei.“
Und schon beim allerersten Kontakt für beispielsweise eine Praktikumsanfrage gelte: „Ein persönlicher Rückruf kostet nur fünf Minuten, schlägt aber jede Eingangsbestätigungs-Mail.“
Weitere Aspekte sind beispielsweise Authentizität in der Kommunikation („Zeigen Sie Ihren Betrieb oder Ausbildungsplatz, so wie er ist und ohne übertriebenen Marketingsprech.“) sowie kurze Entscheidungs- und Reaktionszeiten von Personalverantwortlichen („Erfahrungsgemäß schreiben Interessierte immer mehr Bewerbungen gleichzeitig und wählen dann auch vermehrt spontaner ihren nächsten Job aus.“)
Und Tiesmeyer-Roller ergänzt aus den Fachforen: „Anstelle von Vorurteilen gegenüber ‚der Gen Z‘ im Arbeitsmarkt oder dem Beklagen, dass ,wertvolle Boomer‘ in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen: Sehen Sie es einmal umgekehrt als Chance. Noch haben Sie Zeit für Wissenstransfer. Ermöglichen Sie Kolleginnen und Kollegen mit langjähriger Erfahrung den Austausch mit Jüngeren oder mit fachfremden Quereinsteigenden.“ So werde der immense Erfahrungs- und Wissensschatz bewahrt und im Unternehmen erhalten.
Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs
Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de
Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de
Das Projekt MarktTreff wird gefördert durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER), mit Mitteln des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK).
Fotos: MarktTreff SH / ews group; ecovia smart store solutions / Dominik Leitner
Weitere Fotos freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Handelsverband Nord