Teil 3: Regionale Trägerschaft als Motor für Lebensqualität
Wie stärkt MarktTreff die Region
– am Beispiel Barkauer Land
K i e l MT 30.09.2024 – Was eine Kommune allein nicht auf die Beine stellt, schaffen mehrere Gemeinden: gemeinsam einen MarktTreff eröffnen und erfolgreich betreiben. Wie das geht? Dafür gibt es bereits gute Beispiele in der MarktTreff-Familie. Lernen Sie hier die Erfahrungen und Tipps aus dem Barkauer Land vor den Toren Kiels kennen.
In Kirchbarkau (Kreis Plön) setzen der langjährige Bürgermeister Frank Jedicke und sein genossenschaftlicher Co-Vorsitzender Dr. Jan Krüger auf Kooperation und Vernetzung: der MarktTreff Barkauer Land ist ein gutes Beispiel für diese Haltung.
Was ist aus Sicht dieser Expert:innen bei Gründung und Betrieb einer regionalen Initiative zu beachten? Welche Impulse und Effekte hat die regionale Trägerschaft auf Bürger:innen, Kund:innen und Kommunalpolitik? Welche Empfehlungen und Tipps geben die MarktTreff-Profis gern weiter?
Kirchbarkau und das Barkauer Land packen gemeinsam Zukunft an
Er ist einer der ersten MarktTreffs im Land: Seit 2001 geht Kirchbarkau mit seinem Ansatz einer wohnortnahen Versorgung voran. Nachdem der erste Betreiber Heinz-Jürgen Harms in den wohlverdienten Ruhestand gewechselt war und nachfolgende Interessenten kein Glück hatten, bot sich eine neue Lösung an: die Bürgergenossenschaft Barkauer Land eG. Seit 2016 sichern rund 200 Genoss:innen die Nahversorgung in der 800 Einwohner zählenden Gemeinde im Kreis Plön – und für die Dörfer drumherum.
Herr Jedicke, wie haben Sie Ihre zehn Nachbargemeinden zur Kooperation gewonnen?
Frank Jedicke: Kirchbarkau ist schon seit jeher das wirtschaftliche Zentrum der Region. Es hat Tradition, dass die Gemeinden bei größeren Vorhaben kooperieren – wir sprechen hier von Einheiten zwischen zwei- und achthundert Einwohnern. Im Bürgerverein arbeiten die elf Gemeinden zusammen: So erhöhen wir gemeinsam unsere Schlagkraft, bei gleichzeitigem Erhalt der gemeindlichen Eigenständigkeit.
Für alle elf waren die „drei Säulen“ des MarktTreffs in erreichbarer Nähe wichtig: nämlich der tägliche Einkauf, Dienstleistungen wie Post und Lotto, der Treffpunkt und Soziales.
Was war aus Ihrer Sicht bei Gründung und Betrieb Ihres genossenschaftlich betriebenen MarktTreffs dann entscheidend?
Jedicke: Erstmal: alle mitzunehmen. Dann die Identifikation der Genossinnen und Genossen mit „ihrem Laden“. Und bei den Preisen ist Transparenz ganz wichtig: Du musst im Wettbewerb bestehen können und es muss bezahlbar sein. Das bekommen wir dank des engagierten Ladenteams und der Lieferanten von Bela [Bartels-Langness Handelsgesellschaft] gut hin.
Welche Effekte hat MarktTreff für den regionalen Zusammenhalt?
Jedicke: Der MarktTreff ist echter Anlaufpunkt in der Region. Hier treffen sich Menschen beim Einkaufen, auf einen Kaffee, zum gemeinsamen Mittagessen. Das gibt’s bei uns dienstags und donnerstags, genauso wie sonntags den leckeren Kuchen. Informationen, Tausch- und Suchangebote hängen am „Schwarzen Brett“, viele organisieren sich mittlerweile in WhatsApp-Gruppen. Und zwar über die Dorfgrenzen hinaus.
Was haben die Kund:innen von der Kooperation?
Jedicke: Neben der Möglichkeit in der Nähe einzukaufen, wird der Lieferservice innerhalb der Region gut angenommen. Das gilt für Kund:innen mit körperlichen Einschränkungen, für Ältere sowie für den Einkauf schwerer Waren – denken Sie an Getränkekisten. Übrigens: In der Corona-Zeit haben wir einen umfassenden Lieferservice mit unseren Pfadfindern angeboten. Da haben sich die Vorzüge echter Nähe und Verbundenheit gezeigt.
Was haben Sie noch vor mit Ihrer Genossenschaft?
Jedicke: Momentan denken wir über genossenschaftliche Dienstleistungen nach. Zum Beispiel Winterdienst, Gartenarbeiten, Haushilfen für Ältere oder Alleinstehende. Nicht als Nachbarschaftshilfe, sondern als echte Dienstleistung, die sich wirtschaftlich trägt und die behördliche Anforderungen erfüllt. Deshalb haben wir den Satzungszweck unserer Genossenschaft bewusst weit gefasst: für alles, was in der Region die Lebensqualität fördert.
Auf der anderen Seite planen wir eine separate Energiegenossenschaft. Warum separat? Um mögliche Interessenskonflikte zu vermeiden. Unsere bisherigen Erfahrungen kommen uns dabei schon zugute, einfach, um gute Ergebnisse zu erzielen.
Haben Sie Tipps für Gemeinden die sich für regionale Trägerschaft interessieren?
Jedicke: Im ländlichen Raum operieren wir in wirtschaftlichen Randbereichen, da sollte das Engagement doppelt vorsichtig geprüft werden; eine solide Basis muss vorhanden sein. Zugleich kann eine regionale Trägerschaft unter Umständen das Einwerben von Fördermitteln erleichtern.
Wird der Trend zu Genossenschaften in Zukunft zunehmen?
Jedicke: Mich beschäftigt eine andere Frage: Wie sichern wir ehrenamtliches Engagement für die Führung der Genossenschaft? Nach Corona ist die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung zurückgegangen. Viele Menschen scheuen doch derzeit „Verpflichtungen“. Dabei ist die Genossenschaft ein niedrigschwelliges Instrument, das auch noch regelmäßig geprüft wird.
Welche Tipps haben Sie für eine Gemeinde, die gerade mit MarktTreff anfängt?
Jedicke: Ich setze auf positive Beispiele. Schaut euch andere Standorte an, lasst euch davon anregen. Jeder Standort hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Die Entwicklung von MarktTreff ist sowieso für jeden Standort eine „eigene Geschichte“.
Die Region Barkauer Land
Zum Barkauer Land gehören die elf Gemeinden Barmissen, Boksee, Bothkamp, Großbarkau, Honigsee, Kirchbarkau, Klein Barkau, Löptin, Nettelsee, Postfeld und Warnau.
Die Region bildet den westlichen Bereich des Amtes Preetz-Land (Kreis Plön) und erstreckt sich entlang der Bundesstraße B404, der künftigen Autobahn A21. Kirchbarkau ist der zentrale Ort – von dort aus sind es nordwärts gut zehn Kilometer in die Landeshauptstadt Kiel.
Lesen Sie auch die weiteren Artikel aus unserer Serie: „Wie stärkt MarktTreff die Region?"
Erfahrene MarktTreff-Partner für genossenschaftliche Themen
Das MarktTreff-Projekt hat seit vielen Jahren zwei erfahrene Partner zu genossenschaftlichen Themen an seiner Seite:
- den Genoverband (Standort Rendsburg)
Ansprechpartner:
Joachim Burgemeister
Telefon 04331 - 1304-1224
www.genoverband.de - den Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften ZdK (Hamburg)
Ansprechpartner:
Mathias Fiedler
Telefon 040 - 235 1979-7
www.zdk-hamburg.de
Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs
Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de
Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de
Das Projekt MarktTreff wird gefördert durch den europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER), mit Mitteln des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK).
Fotos: MarktTreff SH / ews group / Markus Scholz; privat