MarktTreff: Regionale Trägerschaft als Motor für Lebensqualität
Wie stärkt MarktTreff die Region?
K i e l MT 17.09.2024 – Was eine Kommune allein nicht auf die Beine stellt, schaffen mehrere Gemeinden: gemeinsam einen MarktTreff eröffnen und erfolgreich betreiben. Wie das geht? Dafür gibt es bereits gute Beispiele in der MarktTreff-Familie. Lernen Sie in lockerer Folge die Erfahrungen und Tipps aus drei Regionen kennen.
Matthias Retzlaff, seit rund fünf Jahren Bürgermeister in Delve (Kreis Dithmarschen), hat mittlerweile vier Gemeinden in die MarktTreff-Trägerschaft eingebunden. Das Motto: unsere „Eiderschleife“.
Steffi Rohr ist gemeinsam mit Carmen Marxsen, Vorständin der Bürgergenossenschaft Schleidörfer eG. Oberstes Ziel der zwei „Powerfrauen“ ist es, den MarktTreff Brodersby-Goltoft (Kreis Schleswig-Flensburg) in der Region zukunftsfest zu machen – und ein neues Schleidörferzentrum zu entwickeln.
In Kirchbarkau (Kreis Plön) setzen der langjährige Bürgermeister Frank Jedicke und sein genossenschaftlicher Co-Vorsitzender Dr. Jan Krüger auf Kooperation und Vernetzung: der MarktTreff Barkauer Land ist ein gutes Beispiel für diese Haltung.
Was ist aus Sicht dieser Expert:innen bei Gründung und Betrieb einer regionalen Initiative zu beachten? Welche Impulse und Effekte hat die regionale Trägerschaft auf Bürger:innen, Kund:innen und Kommunalpolitik? Welche Empfehlungen und Tipps geben die MarktTreff-Profis gern weiter?
Im ersten Teil stellen wir Ihnen die Entwicklung des MarktTreff „Eiderschleife“ vor.
Vier Gemeinden machen sich stark für Nahversorgung und mehr
Die Gemeinden Delve, Hollingstedt, Wallen und Bergewöhrden kommen zusammen auf mehr als 1.100 Einwohner:innen. Gemeinsam betreiben sie ein interkommunales und multifunktionales Dorfzentrum im Amt Eider (Kreis Dithmarschen). Ausgangspunkt war 2011 die Schließung der Dorfschule in Delve, als Verluste folgten Lebensmittelladen, Bäcker und Schlachter. Im Frühjahr 2015 wurde die Genossenschaft Treffpunkt Eiderschleife eG gegründet mit rund 200 Mitgliedern. Heute beheimatet die ehemalige Dorfschule den MarktTreff mit Dorfladen, Friseur, Kosmetik, Fußpflege, Reinigungsannahme sowie Kaffee-Ecke, Kindergarten, Turnhalle und Veranstaltungssaal. Das Haus ist so ein zentraler Begegnungsort für alle Bürger:innen, Vereine, Verbände und touristische Gäste.
Herr Retzlaff, was war aus Ihrer Sicht bei Gründung und Betrieb Ihres „Mehrgemeinden“-MarktTreffs entscheidend?
Matthias Retzlaff: Die Schließung unseres Lebensmittelladens hat uns alle schwer getroffen. Das gab den Impuls, schnell aktiv zu werden. Zunächst wurde mit geringen Eigenmitteln die kleine ehemalige Schulbibliothek zu einem Dorfladen umgebaut. Schnell fand sich ein Ehepaar, dass mit Unterstützung von Gemeinde und der zu gründenden Genossenschaft den Schritt in die Selbstständigkeit wagen wollte. Kunden sollten gar nicht erst abwandern müssen, das ist wichtig. An die Optimierung ging es später.
Wie haben Sie Ihre vier Nachbargemeinden zur Kooperation gewonnen?
Retzlaff: Die Gemeinde Hollingstedt ist unser Hauptpartner, sie ist ideell und wirtschaftlich beteiligt. Entsprechend der Einwohneranzahl ist Hollingstedt mit einem Drittel echte Miteigentümerin der Immobilie. Das schafft Verbindlichkeit und fördert Engagement. Die Gemeinden Wallen und Bergewöhrden sind erheblich kleiner und somit ideell dabei.
Ganz wichtig: Mitglieder aus allen vier Gemeinden arbeiten partnerschaftlich in einem Projektteam. Hier werden gemeinsam Ideen beraten, Maßnahmen verabschiedet und Investitionen entschieden. So sind die Gemeinden entsprechend der jeweiligen Einwohneranzahl echt einbezogen, was sich auch im Namen ausdrückt: MarktTreff „Eiderschleife".
Welche Effekte hat MarktTreff für den regionalen Zusammenhalt?
Retzlaff: Ich kann aus Erfahrung sagen: Die regionale Zusammenarbeit wird gestärkt. Die gemeinsame Projektarbeit schweißt doch sehr zusammen und hat sich auf andere Themen übertragen.
Was haben die Kund:innen von der Kooperation?
Retzlaff: Das ist ganz einfach: Durch unsere gemeindliche Kooperation und durch die zuvor gegründete Genossenschaft haben wir uns den Weg zu einem tollen Dorfladen und einem vielfältigen Treff- und Begegnungsort mit verschiedenen Dienstleistungen eröffnet. Im MarktTreff bekommen sie viele regionale Produkte und hier ist immer etwas los.
Was haben Sie noch vor mit Ihrer Kooperation?
Retzlaff: Für uns ist erstmal wichtig, den Bestand zu erhalten und unsere Kooperation zu pflegen. Das reicht und ist nicht immer einfach. Und mit Hollingstedt haben wir als weiteres eine Turnhallen-Kooperation.
Wir wollen die Kita ausbauen, das schafft zusätzliche Frequenz auch für den Dorfladen, den Friseur, Kosmetik und Fußpflege.
Welche Tipps geben Sie interessierten Gemeinden mit auf den Weg zur regionalen Trägerschaft?
Retzlaff: Super wichtig ist die Bürgerbeteiligung. Schaffen Sie von Beginn an Öffentlichkeit, nehmen Sie die Menschen mit. Bei uns war die Halle proppevoll zur ersten Projekt-Diskussion, das Interesse danach entsprechend groß.
Als zweiten Tipp: die Gründung einer Genossenschaft, wo es passt. Das ist ideell wichtig, denn die Mitglieder stecken eigenes Geld in den „Betrieb“. So schaffen Sie Bindung, gerade bei einem Standort, der nicht mitten im Dorf liegt, wie bei uns. Und die 200 Genossenschaftsmitglieder machen Werbung in ihren Familien und bei Freunden.
Wird der Trend zu gemeindlichen Kooperationen in Zukunft zunehmen?
Retzlaff: Blicken Sie auf Vereine und Feuerwehren. Die Anforderungen und Bestimmungen nehmen zu, das schaffen die Einzelnen kaum noch. Von daher ist Kooperation eine Antwort.
Haben Sie noch Tipps für eine Gemeinde, die gerade mit MarktTreff anfängt?
Retzlaff: Aus unserer Erfahrung: Werbung, Werbung, Werbung. Nutzen Sie dafür Flyer, Zeitungen, Soziale Medien. Machen Sie auf Ihren MarktTreff aufmerksam, vermitteln Sie die Vorteile der wohnortnahen Versorgung und der Möglichkeit für Treff und Austausch. Das ist und bleibt eine Daueraufgabe.
Erfahrene MarktTreff-Partner für genossenschaftliche Themen
Das MarktTreff-Projekt hat seit vielen Jahren zwei erfahrene Partner zu genossenschaftlichen Themen an seiner Seite:
- den Genoverband (Standort Rendsburg)
Ansprechpartner:
Joachim Burgemeister
Telefon 04331 - 1304-1224
www.genoverband.de - den Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften ZdK (Hamburg)
Ansprechpartner:
Mathias Fiedler
Telefon 040 - 235 1979-7
www.zdk-hamburg.de
Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs
Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de
Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de
Das Projekt MarktTreff wird gefördert durch den europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER), mit Mitteln des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK).
Fotos: MarktTreff SH / ews group; Tessa Plähn; Regine Retzlaff