Was macht MarktTreff erfolgreich?
MarktTreff im Wandel: Erfahrene Bürgermeister:innen ziehen Bilanz
K i e l MT 14.03.2023 – Die Kommunalwahl am 14. Mai 2023 wirft ihre Schatten voraus. Einige erfahrene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in MarktTreff-Gemeinden werden nicht wieder antreten. Günther Petersen hat 20 Jahre als Bürgermeister in Medelby gewirkt, Gerd Sick hinterlässt in Wiemersdorf seine Spuren. Waltraud Meier lenkt seit 2018 die Geschicke in Neuwittenbek und plant, ihr Amt gern fortzusetzen. Was ist aus Sicht der drei ehrenamtlichen Kommunalpolitiker:innen bei Entwicklung und Betrieb eines MarktTreffs zu beachten? Was macht MarktTreff wertvoll für das Gemeindeleben und die Zufriedenheit der Bürger:innen? Welche Bilanz ziehen diese „Lenker:innen“ nach langjähriger kommunaler Arbeit – und wie lassen sich junge Menschen für gemeindliche Aktivitäten begeistern?
Lesen Sie drei anregende Impulse aus der MarktTreff-Familie.
MarktTreff als Initialzündung
Günther Petersen und Medelby gehören zusammen. Der 78-jährige Nordfriese ist seit 1978 mit kurzer Unterbrechung in der Gemeindevertretung, davon seit 2003 als Bürgermeister. In Petersens Amtszeit ist in der 1.003 Einwohner:innen zählenden Gemeinde im Kreis Schleswig-Flensburg allerhand passiert: Das multifunktionale Bildungshaus wurde errichtet, das Kirchspiel ist weiter zusammengewachsen, der MarktTreff war wie ein Startschuss für moderne Dorfentwicklung und sorgt seit 18 Jahren für zufriedene Kunden. Dabei ist das Modell einzigartig: Private Investoren aus der deutsch-dänischen Grenzregion haben den Markt mit angeschlossener Tankstelle finanziert.
Herr Petersen, was ist aus Ihrer Sicht bei Entwicklung und Betrieb eines MarktTreffs entscheidend?
Petersen: Von der ersten Idee an sollten Sie die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Durch Informationsveranstaltungen, durch Ideensammlungen und weitere Beteiligungen. Denn es ist wichtig, dass sich die Bürger mitgenommen fühlen, sich mit ihren Wünschen einbringen können und die Haltung entsteht: Das ist unser MarktTreff! Im Idealfall werden so aus Beteiligten treue Kundinnen und Kunden.
Wie hat sich das Modell der privaten Investition bewährt?
Petersen: In Medelby ist das ein echter Glücksfall. Unsere Investoren kommen ja aus der Region. Man kennt sich, trifft sich und vertraut einander. In der Gemeinde hat diese Konstellation viele Entscheidungen beschleunigt. Und war auch bei der Betreibersuche für den Supermarkt sehr hilfreich. Die Zusammenarbeit läuft gut, es herrscht großes Vertrauen auf allen Ebenen.
Wie haben Sie die sechs Gemeinden im Kirchspiel zur Kooperation gewonnen?
Petersen: Wenn ich zurückblicke: Der MarktTreff war die Initialzündung für unsere interkommunale Zusammenarbeit. Nach diesem Impuls vor knapp 20 Jahren hat sich vieles entwickelt. Wir haben im Kirchspiel den Ortskulturring gegründet. Wir haben uns vernetzt und gemeinsam den Ortsentwicklungsplan erarbeitet. Nächster Schritt war der Zweckverband für Wohnen und Gewerbe. In einem fairen Ausgleich ist Medelby als Versorgungsgemeinde gestärkt worden. Der gesamte Prozess hat den sechs Gemeinden gutgetan.
Welche Auswirkungen hat der Gewinn des Landes-Wettbewerbs 2022 „Unser Dorf hat Zukunft“?
Petersen: Diese gemeinsame Entwicklung war auch die Grundlage für die Bewerbung zum landesweiten Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ und hat sicher zum Gewinn beigetragen. Seitdem beobachte ich ein verstärktes Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der gemeindlichen Entwicklung und an Veranstaltungen – nach Corona ein gutes Zeichen. Unser Bildungshaus ist fast täglich ausgebucht. Unsere jungen Menschen bringen sich verstärkt ein und wollen ein eigenes Jugendparlament gründen. Das finde ich großartig.
Wie lassen sich junge Menschen für die gemeindliche Arbeit begeistern?
Petersen: Ich sage mal einfach, indem wir die Jugendarbeit stärker fördern. Wir haben zum Beispiel einen eigenen Jugendraum eingerichtet. Das wirkt sich aus. Das Interesse der Jüngeren an Politik hat bei uns zugenommen – auch das ein Ergebnis der vergangenen Jahre. Künftig bleibt noch genug zu tun: Wir wollen unsere Spielplätze und unsere Turnhalle erneuern. Auch da ist die Einbindung junger Menschen zielführend. Ein weiteres gutes Beispiel: Unsere Jungendfeuerwehr platzt aus allen Nähten.
Was nehmen Sie mit als Erinnerung – und wo steht MarktTreff in zehn Jahren?
Petersen: Ganz ehrlich: Wenn wir den MarktTreff nicht errichtet hätten, wäre Medelby ein Schlafdorf geworden. Wir stehen heute gut da, die Nachfrage nach Grundstücken und Wohnungen ist weiter groß. Wenn das so anhält, kann die Gemeinde über eine Vergrößerung des MarktTreffs nachdenken.
MarktTreff ist eine großartige Sache
Gerd Sick lebt von Geburt an in Wiemersdorf, im Herzen von Schleswig-Holstein im Kreis Segeberg. Die Gemeinde mit ihren rund 1.700 Einwohner:innen hat seit 2018 gastronomisch und sozial gewonnen: mit dem Restaurant „Hütter’s“, dem „Coffee & Snack“ und variablen Multifunktionsräumen für Veranstaltungen aller Art. Alles unter dem Dach von MarktTreff. Bürgermeister Sick hat in der Vergangenheit viele Gemeinde-Erfahrungsaustausche besucht und macht sich immer wieder stark für diesen Mittelpunkt seiner Gemeinde. Jetzt soll noch barrierearmes Wohnen dazukommen. Diese Entwicklung wird künftig die Nachfolge des 57-jährigen Landwirts begleiten.
Herr Sick, was ist aus Ihrer Sicht bei Entwicklung und Betrieb eines MarktTreffs entscheidend?
Sick: Eigentlich ist es sehr einfach: Das Dorf muss dahinterstehen. MarktTreff sollte sich immer auf die jeweilige Kommune beziehen. Deshalb haben wir bei der Entwicklung unseres MarktTreffs im Rahmen einer Haushaltsbefragung die Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger eingeholt. Dabei ist herausgekommen: Gastronomie und Treff stehen bei uns im Vordergrund. Den späteren Betrieb haben die Betreiber zu verantworten. Da reden wir als Gemeinde nicht rein. Dafür sind es ja Profis.
Was sollte der ‚Landgasthof von heute‘ bieten, damit er ein Erfolg wird?
Sick: Auf dem Dorf ist es etwas anders als in der Großstadt. Anonymität gibt’s bei uns nicht. Das gilt für die Betreiber genauso wie für Gäste. Wer erfolgreich sein will, sollte sich also auf das Dorf einlassen, auf die Menschen zugehen und ihre Wünsche in den Mittelpunkt stellen. Da haben wir mit unseren Betreibern vom ‚Hütter’s‘ und auch vom ‚Coffee & Snack‘ großes Glück. Die Angebote sind qualitätvoll und auf unsere Bedarfe zugeschnitten. Soweit es möglich ist, wird auf viele Geschmäcker eingegangen. Das Angebot kommt gut an, bei Vereinen, bei Firmen, zu privaten Anlässen – und zwar über die Gemeinde hinaus.
Welche Effekte hat MarktTreff auf das Gemeindeleben?
Sick: Unser Plan ist voll aufgegangen: Es ist ein Treff und echter Dorfmittelpunkt entstanden. Die Feuerwehr und die Vereine haben einen Ort für ihre Veranstaltungen gefunden. Über den TSV ist eine Tanzgruppe gegründet worden. Wir hatten noch viele Ideen, aber Corona hat einiges ‚abgewürgt‘. Da muss man jetzt neu ansetzen. Schnell wieder angelaufen und ein großes Plus sind die privaten Feiern.
Die Gastronomen haben eine sensible Hand und treffen bei den verschiedenen Gästen den richtigen Ton. Die Balance zwischen vorhandenem Budget und späterem Angebot hinzubekommen, ist eine echte Herausforderung. Denn, die Inflation hat viele Waren und Zutaten erheblich teurer im Einkauf gemacht.
Wie lassen sich junge Menschen für die kommunalpolitische Arbeit begeistern?
Sick: Da sprechen Sie eine schwierige Aufgabe an. Gerade die Jüngeren haben eine Menge auf dem Zettel, damit gilt es, sensibel umzugehen. Was habe ich gemacht? Ich habe einfach die ‚Klinken geputzt‘. Im persönlichen Gespräch können Sie Menschen besser erreichen und überzeugen. Doch das wird eine Daueraufgabe. Wichtig ist: Wir dürfen niemand verurteilen, wenn’s mal nicht passt.
Was nehmen Sie mit als Erinnerung – und wo steht MarktTreff in zehn Jahren?
Sick: MarktTreff ist eine großartige Sache. Uns, als Gemeinde, hat die finanzielle Förderung des Landes enorm geholfen. Wir haben die eine oder andere Gemeinde besucht, der Ruf von MarktTreff ist enorm. Zugleich müssen wir uns darauf einstellen: Der Strukturwandel wird weitergehen. Die Großen werden größer, die Herausforderungen für die Nahversorgung und für gastronomische Konzepte werden also bleiben. Aber ich bin Optimist: Vielleicht wird in zehn Jahren der 80. MarktTreff eröffnet.
Gemeinsam MarktTreff weiterentwickeln
Waltraud Meier lebt seit 1979 in Neuwittenbek, im Norden der Landeshauptstadt Kiel. Die 64-Jährige lenkt seit fünf Jahren die Geschicke der rund 1.100 Einwohner:innen-Gemeinde im Amt Dänischer Wohld – und will als Bürgermeisterin gern weitermachen. Mit dem MarktTreff „Wittenbeker Höker“ und seinen Schwerpunkten „Produkte aus der Region“ und „Biolebensmittel“ hat die Gemeinde einen echten Anziehungspunkt.
Frau Meier, was ist aus Ihrer Sicht bei Entwicklung und Betrieb eines MarktTreffs entscheidend?
Meier: Wir sehen an unserem Beispiel, dem „Wittenbeker Höker“, wie wichtig eine gewisse Spezialisierung ist. Viele Kundinnen und Kunden betrachten den Höker als Bioladen und als wahres ‚Frischeparadies‘. Wo finden Sie das: je nach Saison frisches Obst und Gemüse, Produkte direkt aus der Umgebung. In der jeweiligen Saison genießen wir das Privileg: morgens geerntet und mittags schon beim Höker in der Frischetheke. Sonnengereifte Erdbeeren, leckere Paprika, knackiger Kohl – diese Frische schmecken Sie einfach.
Was raten Sie neuen Betreiber:innen von MarktTreffs? Was sollten diese für Kompetenzen mitbringen?
Meier: Natürlich sollten Betreiber wirtschaftlich denken können, die professionelle Betriebsführung und Buchhaltung sind wichtige Grundlagen. Neben den Zahlen geht es aber auch um den Faktor Mensch. Auf die Menschen zugehen, freundlich und flexibel sein, sich engagieren, offen und am Dorfleben interessiert sein: das sind wichtige Voraussetzungen für einen erfolgreichen MarktTreff.
Unsere Crew im Höker hat immer ein offenes Ohr für die Wünsche der Kundinnen und Kunden. Soziale Kompetenz ist mindestens so wichtig wie wirtschaftliches Verständnis. Wenn beides zusammenkommt, kann das gut klappen mit dem MarktTreff.
Welche Effekte hat MarktTreff auf das Gemeindeleben?
Meier: Lassen Sie mich kurz zurückblicken: Wir hatten früher mal einen Kaufmann im Dorf. Als der dann zugemacht hat, haben sie keinen Menschen mehr auf der Straße gesehen – es war plötzlich nur noch still. Heute ist das anders. Die Menschen gehen wieder zum Höker, man trifft sich schon auf der Straße. Als Bürgermeisterin begegne ich manchmal zufällig Menschen, die ich sowieso sprechen wollte. Wir trinken dann einen Kaffee in unserem kleinen Treff und schnacken zusammen. Das ist wichtig und macht unsere Lebensqualität aus. Zudem wird so der Zusammenhalt der Generationen gefördert. Man kauft füreinander ein, hilft einander, bringt mal die Mülltonne raus, wechselt ein Wort über den Zaun. Es sind diese alltagspraktischen kleinen Dinge und Gesten, die uns vor Einsamkeit bewahren.
Wie gelingt es Ihnen als Bürgermeisterin, junge Menschen für die kommunalpolitische Arbeit zu begeistern?
Meier: Die Corona-Zeit war ganz schwierig. Keine Veranstaltungen, wenig Begegnungen, nicht einmal Vogelschießen gab es in der Gemeinde. Wir fangen jetzt wieder an und erarbeiten aktuell ein Ortsentwicklungskonzept. Ein wichtiger Baustein: der Kinder- und Jugendworkshop. Wir hören den jungen Menschen zu: Was interessiert euch? Welche Bedürfnisse habt ihr? Welche Zukunft stellen sich die jungen Menschen vor? Mir ist das ein ganz wichtiger Schritt, um wieder ins Gespräch zu kommen.
Wir erleben doch derzeit viele parallele und schnelle Veränderungen. Darüber müssen wir reden, die Menschen abholen und ihnen zuhören. Nur so können wir eine gute Zukunft gestalten.
Wo sehen Sie MarktTreff in zehn Jahren?
Meier: Mit dem Ortsentwicklungskonzept denken wir schon weit nach vorn. Und der Ortskern mit dem MarktTreff spielt da eine wichtige Rolle. Ich kann mir das Angebot noch größer vorstellen: Mit mehr Raum für Lager und Treff, mit Kaffee-Ausschank und kleinen Speisen – vielleicht separat abtrennbar. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in Neuwittenbek gemeinsam etwas Tolles für alle Generationen entwickeln werden. Das motiviert mich und darauf freue ich mich.
Motivieren zur Kommunalwahl
Am 14. Mai 2023 findet im Land die Kommunalwahl statt. Damit auch künftig das Organ der Selbstverwaltung funktioniert, müssen sich zunächst genug Menschen zur Wahl stellen.
Um Menschen zu motivieren und in Gemeindevertretungen und als Bürgermeister:innen aktiv zu werden, haben die Akademie für die Ländlichen Räume Schleswig-Holsteins (ALR) und der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag (SHGT) mehrere Spots drehen lassen mit finanzieller Unterstützung durch den Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein (SGVSH) und den Landesbeauftragten für politische Bildung. Einer der Kurzfilme zeigt das Engagement in der MarktTreff-Gemeinde Rendswühren.
Sehen Sie mehr unter https://www.zumglueckgibtsuns.de/.
Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs
Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de
Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de
Fotos: MarktTreff SH, ews group, privat