Coworking – eine neue Zukunft der Arbeit in ländlichen Gemeinden?

K i e l  MT 07.04.2021 – Die Arbeitswelt wandelt sich stetig und die Corona-Pandemie verstärkt gerade Trends: Digitalisierung, Homeoffice, Videokonferenzen, flexible Teams und Arbeitsorte. Viele Menschen begrüßen die damit verbundenen „neuen Freiheiten“. Andererseits vermissen viele soziale Kontakte, echte Begegnungen, den Austausch sowie den kleinen Schnack zwischendurch. Doch dafür gibt es eine einfache Lösung: Coworking. Zusammen und doch unabhängig voneinander arbeiten – zunehmend etabliert sich dieses Angebot aus dem städtischen Kontext auch im Ländlichen.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und die CoWorkLand Genossenschaft haben Anfang 2021 eine Broschüre* herausgegeben mit hilfreichen Tipps für Gemeinden und potenzielle GründerInnen von Coworking-Spaces. Im MarktTreff-Umfeld gibt es seit langem gute Erfahrungen mit dem Konzept: Bereits seit dem Sommer 2019 wird Coworking auf Hof Viehbrook in der Gemeinde Rendswühren (Kreis Plön) erfolgreich praktiziert – und ergänzt auf dem Erlebnishof der Familie Voß-Rahe das Spektrum aus landwirtschaftlichen Aktivitäten, Gastronomie, Kultur, Bildung, Kindergarten und einem MarktTreff-Laden für regionale Produkte. Grundvoraussetzung hier wie auch in den anderen Coworking-Spaces: eine starke Internet-Verbindung.

Coworking: Anschub aus Schleswig-Holstein
Die Coworking-Idee ist schon vor einigen Jahre in Schleswig-Holstein auf fruchtbaren Boden gestoßen. Ulrich Bähr, Projektleiter bei der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein und zugleich geschäftsführender Vorstand der mittlerweile gegründeten CoWorkLand eG, hat die Entwicklung mitgestaltet: „Wir fingen 2017 in dem Projekt ‚Regional digital’ an, uns mit neuer Arbeit auf dem Land zu befassen. Konkret ausprobiert haben wir Coworking im Sommer 2018 in Pop-up-Coworking-Containern, mit denen wir über das Land gezogen sind.“ Die Resonanz auf diese und weitere Projekte sei so groß gewesen, dass 2019 die bundesweit agierende CoWorkLand eG gegründet wurde – unterstützt mit Fördermitteln des Landes Schleswig-Holstein. Die Genossenschaft vernetzt, berät und unterstützt Gemeinden, Unternehmen und andere Coworking-EnthusiastInnen bei der Gründung eines CoWorking-Space und während des Betriebs. Zwölf MitarbeiterInnen steuern von Regionalbüros aus die bundesweiten Aktivitäten.

Kooperativer Austausch von MarktTreff und CoWorkLand bereits auf der Internationalen Grünen Woche 2020 in Berlin: Jule Lietzau (CoWorkLand-Genossenschaft), Kirsten Voß-Rahe (MarktTreff und Coworking-Space Viehbrook, Mitte) und Wolfgang Schmahl, Bürgermeister der MarktTreff-Gemeinde Gülzow

Coworking: Gewinn für alle
Die Vorteile von Coworking Spaces in ländlichen Gemeinden liegen auf der Hand: 
Für den Einzelnen entfällt das tägliche Pendeln zur Firma, wenn der Cowork-Arbeitsplatz nah und einfach erreichbar ist. So verringert sich auch der CO₂-Ausstoß, was wiederum der Klimaerwärmung entgegen wirkt.
Neu Zugezogene finden durch das Arbeiten im Coworking-Space schnell Kontakt, können mit anderen CoworkerInnen kooperieren und gemeinsam neue KundInnen akquirieren oder Geschäftsmodelle entwickeln. Anders als im Homeoffice, findet sich im Coworking-Space immer jemand für einen gemeinsamen Kaffee oder den schnellen Gedankenaustausch.


Das Dorf erhält einen neuen Attraktionspunkt, kann bestehende Immobilienkonzepte vitalisieren oder Leerstände wieder mit Leben füllen. So bietet sich die Umwandlung von nur zeitweise genutzten Räumen in Coworking-Spaces an: in Bibliotheken, Gebäuden von Kirchengemeinden, Dorfgemeinschaftshäusern sowie stillgelegten Bahnhöfen oder Bankfilialen. 

Seine ganze Kraft entfaltet ein Coworking-Space, wenn das Modell in Kombination mit anderen Funktionen „unter einem Dach“ entwickelt wird: Dorfladen, Car-Sharing, Kümmerer, Lieferboxen – Hof Viehbrook liefert eine gute Blaupause für dieses Vorgehen. Kirsten Voß-Rahe ist so überzeugt von dem Konzept, dass sie sich ehrenamtlich dafür engagiert und den Vorsitz des Aufsichtsrats der CoWorkLand eG übernommen hat: „Wir waren sofort begeistert von Coworking – und es wird gut genutzt auf unserem Hof. Künftig planen wir noch die Kombination mit unserem Bauernhof-Kindergarten. Während die Kinder spielen, können die Eltern in angenehmer Atmosphäre ihre Arbeit erledigen.“ So funktioniere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Vertriebsmitarbeiter großer Unternehmen würden regelmäßig den Space und das umfassende Equipment nutzen – „wir bieten auf 70 qm moderne Gruppen-Arbeitsplätze, zwei Einzelbüros, die komplette Büroausstattung nebst Teeküche, Tagungsmöglichkeiten und – in Nicht-Corona-Zeiten – den täglichen Mittagstisch. Den schönen Blick aufs Land und frische Luft gibt’s gratis“, sagt Voß-Rahe schmunzelnd.

Coworking: Modell für die Breite der Gesellschaft
Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat CoWorkLand ein umfassendes Bild ermittelt von den Motiven potenzieller NutzerInnen, notwendigen Rahmenbedingungen, möglichen Förderungen und den Impulsen für ländliche Gemeinden. 

Für die Studie zu Coworking in ländlichen Räumen** wurden rund 160 Interviews geführt – und die Ergebnisse sind überraschend: Auffällig bei den NutzerInnen ist der hohe Anteil von Angestellten (35 Prozent), zugleich ist aber eine breite Streuung bei den Berufen und der Altersstruktur festzustellen. Befragte wiesen auf den Zusammenhalt und die soziale Integrations- sowie Innovationskraft hin. 
Weiter werden in der Studie vielversprechende Synergien genannt: Coworking Spaces als Treffpunkte, Marktplätze und Veranstaltungsräume – die vitale Gemeinde steht hier im Zentrum. Für vieles der neuen Welt des Coworking gibt es bereits funktionierende Beispiele. Rund 150 Spaces sind bundesweit in ländlichen Räumen in Betrieb, davon etwa 20 in Schleswig-Holstein mit insgesamt rund 400 Coworking-Arbeitsplätzen.

Coworking: Corona wirkt als Treiber
Viele ArbeitnehmerInnen, Unternehmen und öffentliche ArbeitgeberInnen machen coronabedingt gerade Erfahrungen mit flexiblen Arbeitszeitkonzepten. Sie stellen vermehrt fest, dass die Anzahl voll ausgestatteter Arbeitsplätze reduziert werden kann. Voraussetzung: Die vorhandenen räumlichen Ressourcen werden zeitlich verteilt von Mitarbeitenden genutzt; die weiteren ArbeitnehmerInnen können über Coworking-Spaces bedient werden. Bei diesem Szenario gibt es nur Gewinner: Unternehmen sparen Büroflächen und damit hohe Mieten; MitarbeiterInnen sparen lange Pendlerwege, Zeit und Geld; Gemeinden stärken ihre Mitten durch neues Leben – und bei all dem gewinnt der Klimaschutz. 
Mit diesen Zielen vernetzt die CoWorkLand eG aktuell eine Reihe von Coworking-Spaces zu Satellitenringen rund um Kiel, Hamburg und bald auch weiteren Städten. Coworking-Spaces am Rande der Städte, oder „Satellitenbüros“ für Unternehmen aus den Metropolen, sollen das PendlerInnenaufkommen in die Zentren hinein verringern und den Menschen einen kürzeren Arbeitsweg ermöglichen.

Coworking: professionelle Begleitung notwendig
Wie bei so vielen Projekten kommt „Kümmerern“ eine besondere Rolle zu – bei der Planung und beim Betrieb vor Ort. Für die erste Phase baut die CoWorkLand Genossenschaft über die Regionalbüros ihre Angebote für Beratung und Begleitung aus. Für den Einstieg helfen „Starter-Kits“ mit Checklisten, Vertragsgrundlagen, Hinweisen und Tipps zu Arbeitsschutz, Datensicherheit bis Versicherung. Kurz vor dem Start befindet sich eine bundesweit einheitliche Buchungsplattform. „Dies alles erleichtert die Realisierung“, betont CoWorkLand-Vorstand Ulrich Bähr. „Aber: Das Umfeld und die Beteiligten müssen passen – und dafür gibt es in schleswig-holsteinischen MarktTreff-Gemeinden grundsätzlich gute Voraussetzungen.“  

Christina Pfeiffer aus dem Innenministerium Schleswig-Holstein unterstützt das Anliegen: „Die Kombination von Nahversorgung und Coworking passt ideal zu unserer Strategie der Bündelung von Angeboten unter einem Dach.“ Das stärke ländliche Gemeinden und mache sie zukunftsfest. 
Wer einen neuen MarktTreff – möglicherweise mit Coworking – plane, solle direkt Kontakt aufnehmen mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de

Gemeinden mit bereits bestehenden MarktTreffs erhalten im direkten Kontakt mit CoWorkLand ergänzend Informationen zum Raumbedarf, einer sinnvollen Ausstattung, zu erwartenden Investitionskosten sowie möglichen Einnahmen und zu der notwendigen Einbindung von „Community ManagerInnen“. So heißt die sich kümmernde „gute Seele“ in der neuen Coworking-Welt.

Informationen zur Gründung und dem Betrieb eines Coworking Spaces:
www.coworkland.de

Hier finden Sie die richtigen Ansprechpersonen:
CoWorkLand-Team

Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs

Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de

Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de

*Broschüre BMEL / CoWorkLand zu Coworking auf dem Land:
https://coworkland.de/de/neuigkeiten/coworking-auf-dem-land-der-praxis-leitfaden

**Studie Bertelsmann Stiftung / CoWorkLand Coworking im Ländlichen Raum
https://coworkland.de/de/neuigkeiten/studie-coworking-im-laendlichen-raum

Abbildungen freundlicherweise zur Verfügung gestellt von
CoWorkLand eG und Hof Viehbrook; ews group, Lübeck

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