Renaissance der Genossenschaften:
MarktTreff-Beirat diskutiert über traditionelle und digitale Versorgungskonzepte
R e n d s b u r g MT 26.10.2018 – „Das MarktTreff-Thema ist schnell in die Herzen gekommen und im Regierungshandeln verinnerlicht.“ Bereits bei der Begrüßung auf der jüngsten Sitzung des landesweiten MarktTreff-Beirats zeigte Kristina Herbst, Staatssekretärin im Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration, ihre Sympathien für das MarktTreff-Projekt. Sie sei begeistert von der Krisenfestigkeit und Innovationskraft des Projektes. Auf Einladung des „Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen“ diskutierten in Rendsburg Spitzenvertreter der mehr als 20 offiziellen MarktTreff-Partner aktuelle Themen rund um Nahversorgung und die ländlichen Räume Schleswig-Holsteins. Im Fokus standen insbesondere Fragen zu genossenschaftlicher Trägerschaft, digitalen Versorgungskonzepten, neuen Pflegeangeboten und dem künftigen Zusammenhalt in kleinen Gemeinden.
Eindrucksvoll berichtete Prof. Dr. Björn Christensen als Vertreter der Bürgergenossenschaft Barkauer Land vom Entwicklungsprozess des „MarktTreff 3.0“ in Kirchbarkau, Kreis Plön. Nach der Ladenschließung sei es Konsens in der Gemeindevertretung und bei der befragten Bürgerschaft gewesen, dass ein neues Versorgungskonzept an den Start gehen solle: „Der wesentliche Impuls kam bei uns durch das Genossenschaftsmodell. Über die Bürgergenossenschaft fühlen sich alle als Ladenbetreiber.“ Intensiv seien die wirtschaftlichen Herausforderungen diskutiert worden, heute seien rund 200 Genossen beteiligt: „Wichtig dabei: Wir denken das als Region!“ So seien auch die umliegenden Gemeinden an dem Prozess und der Genossenschaft beteiligt.
Mittlerweile seien die prognostizierten Ladenumsätze weit übertroffen. Zugleich wies Christensen auf besondere ehrenamtliche Aktivitäten hin: „Eine Gruppe kümmert sich gezielt um verderbliche Ware und kocht rechtzeitig daraus leckere Suppen.“ Rund 130 Portionen würden so jeden Dienstag in den Verkauf gelangen. MarktTreff sei in Kirchbarkau ein generationenübergreifendes Projekt mit Perspektive: So sei an E-Mobilität und genossenschaftliches Wohnen gedacht.
Die Renaissance der Genossenschaft betonte ebenfalls Thorsten Bausch von myEnso aus Bremen. Die ENSO eCommerce GmbH befasse sich intensiv mit dem „Supermarkt der Zukunft“, der sich durch Transparenz, hundertprozentige Kundenorientierung und Kooperationswillen auszeichne: „Kein Teilhabermodell ist so demokratisch wie die Genossenschaft“, hob Bausch hervor. Wir erlebten gerade einen fundamentalen gesellschaftlichen Wandel, der Partizipation und Teilhabe in den Vordergrund rücke. „Bei myEnso leben wir das bereits vor: Über ein Genossenschaftsmodell sind unsere Kunden am Unternehmen beteiligt und können über verschiedene Formate das Sortiment mitbestimmen.“ Das Unternehmen sei in einem dynamischen Entwicklungsprozess und wolle die digitale und analoge Versorgung miteinander verknüpfen: „Wir liefern über unsere Online-Plattform bereits in 15 große deutsche Städte, sind Marktführer in den Segmenten Vegan und Bio und erproben gerade unsere ersten realen Standorte in der Nähe von Bremen.“ So würden mit einem Tante-Enso-Mobil einmal wöchentlich regionale Standortpartner beliefert. „Bündelung ist das Stichwort – das, was Sie bei MarktTreff bereits seit Jahren hervorragend beherzigen“, betonte Bausch. 2019 wolle man rund 100.000 Artikel im Online-Angebot haben. Dabei sei eines wichtig: Digitalisierung müsse den Menschen und dessen Bedürfnissen dienen.
Lars Kuhlmann, Geschäftsführer des Landjugendverbands, griff den Faden direkt auf: „Eine stärkere Betonung von digitalen Aspekten entspricht der Lebenswelt junger Menschen. Aber: MarktTreff darf dabei nicht seine Herzenswärme verlieren.“
Prof. Christensen unterstützte ein Zusammenwachsen von digital und analog – „aber, der Erfolgsfaktor ‚Mensch’ muss im Laden bleiben“.
Eine schnellere Entwicklung und Umsetzung neuer MarktTreffs wünschte sich Joachim Burgemeister vom gastgebenden Genossenschaftsverband: „Von der ersten Idee bis zur Eröffnung muss es schneller möglich sein.“ Zugleich bat er die Vertreter der Landesregierung um die Prüfung einer Startförderung für die Gründung von Sozialgenossenschaften – „so wie es in Niedersachsen bereits praktiziert wird“.
Dr. Olaf Bastian als Vertreter des Landessportverbandes richtete den Blick auf weitere gesellschaftliche Bereiche, die mit MarktTreffs verstärkt vernetzt werden könnten: „Denken Sie an Sport, Soziales, Pflege. Auch hier gilt das Gebot der Bündelung.“ Über ein neues Modell häuslicher Pflege aus den Niederlanden berichtete Frauke Tengler, Vizepräsidentin des DRK Schleswig-Holstein: „MarktTreffs könnten gute Standorte für nachbarschaftliche Pflegestützpunkte sein. Das DRK befasst sich aktuell mit einem sehr niedrigschwelligen Ansatz aus Holland: das Buurtzorg-Modell, zu deutsch Nachbarschaftshilfe. Der Mensch steht im Mittelpunkt, ohne Ersticken in Bürokratie.“ Das DRK wolle erste Pilotstandorte für die Erprobung prüfen.
„Wir unterstützen insbesondere Kommunen, die multifunktionale Vorhaben in den Mittelpunkt stellen“, hob Jürgen Blucha, Referatsleiter Ländliche Entwicklung im Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration, hervor. „Und wir versuchen auch verstärkt ressortübergreifend Projekte in den ländlichen Räumen zu realisieren" – so wird mit dem Sozialministerium Telemedizin auf den Halligen gefördert. Auch für die Gründungsphase von Genossenschaften in Themenfeldern der ländlichen Entwicklung sieht Blucha bereits jetzt schon Fördermöglichkeiten mit den vorhandenen Förderinstrumenten.
Staatssekretärin Kristina Herbst bilanzierte die Impulse und Diskussionen als „lebhaften und höchst interessanten Austausch. Gerade die unterschiedlichen Blickwinkel sind wichtig und bereichernd.“