25 Jahre MarktTreff: Blick nach vorn mit neuen Konzepten
K i e l MT 14.05.2024 – Eine der großen Stärken von MarktTreff ist die stetige Neuerung bei Konzepten und Services. Besonders deutlich wurde dies jüngst beim Erfahrungsaustausch der MarktTreff-Betreiber:innen.
Seit 25 Jahren prägt das Nahversorgungs-Projekt MarktTreff ländliche Gemeinden in Schleswig-Holstein. Wichtige Angebotssäule ist die Nahversorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs. Jetzt kamen auf Einladung des Ministeriums für ländliche Räume Führungskräfte der drei „großen“ Lebensmittel-Lieferanten – Bartels-Langness (Bela), EDEKA Nord und REWE / REWE nahkauf – ins Dorfgemeinschaftshaus Kirchbarkau (Kreis Plön). Anlass war ein Erfahrungsaustausch mit Ladenbetreiber:innen und Verantwortlichen aus mehr als fünfzehn MarktTreff-Gemeinden.
„Zunächst danken wir den langjährigen Lieferanten von MarktTreff einmal herzlich für die Zusammenarbeit. Ohne die tägliche Versorgung mit frischen Produkten wäre das Modell nicht zukunftsfest“, eröffnete Dieter Witasik, ews group, vom landesweiten Projektteam. Statt wie häufig in Jubiläumsjahren „die Vergangenheit zu betrachten, möchten wir vor allem den Blick gemeinsam nach vorne richten.“ Dabei gelte es, immer den Menschen im Mittelpunkt zu halten, betonte zur Begrüßung Gastgeber Dr. Jan Krüger, Vorstand der Bürgergenossenschaft Barkauer Land eG in Kirchbarkau: „Weil es sind ‚unsere‘ Läden in ‚unseren‘ Dörfern“.
Die eingeladenen Referent:innen wurden dieser Ausrichtung in ihren Impulsvorträgen voll gerecht: Wie blicken die drei „Großen“ in die Zukunft? Was sind jeweils neue Angebote und Betriebsformen für den kleinflächigen Einzelhandel?
Neue Hybrid-Ladenkonzepte und regionale Partnerschaften:
Bela, EDEKA und REWE / nahkauf zu Gast bei Betreiber:innen-„Erfa“
Björn Stechhöfer, Bela-Vertriebsleiter Selbstständiger Einzelhandel, gab zunächst einen Überblick über die gegenwärtigen Herausforderungen, die für die gesamte Branche des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) bedeutend seien: Personalsuche und -kosten, Energiepreise, Veränderungen bei sowohl Kaufkraftvolumen als auch Kaufgewohnheiten in der Bevölkerung. Gerade für kleinflächige LEH-Läden in ländlichen Gemeinden verursache dies einen großen Rentabilitätsdruck. Dieser könne bis zur Schließung des Ladens führen und damit zum Fehlen eines Nahversorgers und dem Verlust eines Ortsmittelpunkts als täglichem Bezugspunkt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken böten sich unter anderem hybride Laden-Modelle an. Das heißt, eine Kombination aus Öffnungszeiten mit Personalbesetzung und darüber hinaus Zeiten mit Kund:innen-Selbstbedienung und Kassierung per Selbst-Scan-Kasse.
Stechhöfer stellte in seiner Präsentation „Die Nahversorgung im ländlichen Raum. 25 Jahre MarktTreff“ verschiedene Modelle vor, von Ladenflächen mit 12 Quadratmetern in Containern bis Großflächen in Bestandsimmobilien. Diese Modelle würde die Bartels-Langness Handelsgesellschaft im Verbund mit Partnerunternehmen entwickeln wie arudu und neu die hurtig märkte – oder auch beliefern wie bei Tante Enso. Zudem würde die Bela an einem eigenen Hybridkonzept für selbstständige Kaufleute arbeiten.
Die große Bandbreite an Modellen liege klar in der hauseigenen Philosophie begründet, erläuterte Stechhöfer: „Jeder Standort ist einzigartig in seinen Anforderungen. Diese Einzigartigkeit möchten wir erhalten und bedienen.“
Den „Status Quo: Autonome, hybride Stores“ beim Lieferanten EDEKA Nord, präsentierte Jörn Oeser, EDEKA-Projektmanager und Gruppenleiter Digitale Lösungen und Organisation. Oeser ging exemplarisch auf Konzept und Alltagsbetrieb von zwei Pilotprojekten aus dem schleswig-holsteinischen Kreis Plön ein:
Zum einen der 2022 getestete und rund um die Uhr geöffnete Container-Laden „EDEKA Smart Box“ für autonomes Selbstbedienungs-Einkaufen im Ostsee-Badeort Hohwacht; zum anderen die EDEKA-Filiale der Kaufmannsfamilie Alpen im Ostseebad Schönberg Strand, die April diesen Jahres als erster Hybrid-Markt im Absatzgebiet der EDEKA Nord eröffnet worden ist. Familie Alpen ist ebenfalls Betreiber des Lebensmittelmarkts im MarktTreff Hohenfelde (ebenfalls Kreis Plön).
„Eine erste Erkenntnis aus den Test-Standorten ist beispielsweise, dass die Selbstbedienungskassen auch während der personalbesetzten Zeiten gern genutzt werden, vor allem für kleinere Einkäufe“, so Oeser. Dies entlaste die Kassierer:innen im Laden und sei potenziell auf andere vergleichbare kleine Flächen wie Dorfläden übertragbar. Und: Das Thema Hybrid-Märkte wird bei der EDEKA forciert werden, sofern die marktindividuellen Gegebenheiten es erfordern und ermöglichen.
„Neue Impulse für regionale Partnerschaften“: Unter diesem Titel referierte Isabel van der Walle, Leiterin Unternehmenskommunikation und Public Affairs der REWE Region Nord, gemeinsam mit Sebastian Stein, Vertriebsleiter nahkauf der REWE Region Nord.
Gestartet sind die Referent:innen mit einem Überblick sowie die verschiedenen Vertriebszweige der REWE Group sowie REWE Nord. Dabei stellten sie mehrere innovative bundesweite Testkonzepte vor: darunter ein Green-Farming-Markt im hessischen Wiesbaden-Erbenheim, den Einsatz von Liefer-Drohnen im Spreewald, das Konzept „Pick&Go", welcher bald in Hamburg eröffnen wird oder ein Lieferroboter, der Kund:innen in Hamburg den Einkauf nach Hause liefert. Aber auch Lösungen, die künftig häufiger und flächendeckend umgesetzt werden könnten, etwa nahkauf-Container-Shops („Josefs BOX“) oder Abholbox-Stationen („REWE Abholservice“) wurden präsentiert. Diese Stationen seien vergleichbar mit bereits bekannten Paket-Stationen von Postanbietern und entsprechend von den Kund:innen zu bedienen.
Der anschließende Schwerpunkt des Vortrags lag jedoch darauf, den Zuhörer:innen Einblicke in das regionale Sortiment sowie die regionalen Partnerschaften zu geben. Die erfolgreiche Implementierung neuer Verkaufsmodelle im umkämpften deutschen LEH-Wettbewerb sowie die Kund:innen-Akzeptanz und -Nutzung mache die Einbettung in umfassende Programme und Begleitmaßnahmen auf Lieferantenseite nötig. Van der Walle und Stein veranschaulichten dies und stellten REWE-Initiativen vor, wie die „REWE Lokal-Partnerschaft“, welche eine freiwillige Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen REWE und lokalen Erzeuger:innen ist, Verbands- und Kampagnenarbeit oder bei der Sortimentsgestaltung auch die Kooperation von REWE Nord mit dem landwirtschaftlichen Zertifikatesiegel „Geprüfte Qualität Schleswig-Holstein (GQSH)“.
Oliver Ohm, BBE Handelsberatung, vom MarktTreff-Projektteam, kommentierte die gezeigten Präsentationen: „Die wichtigsten Lebensmittel-Großhändler befassen sich inzwischen intensiv mit den Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung auch hinsichtlich neuer Formate und Konzepte auf der Fläche bietet. Das führt dazu, dass die kleinen Flächen insbesondere in den ländlichen Räumen für alle Beteiligten wieder an Attraktivität gewinnen“, so Ohm. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht böten sich gerade für die MarktTreffs und ihre kleinflächigen Nahversorger hybride Lösungen an, weil dadurch nicht nur die Öffnungszeiten erweitert werden könnten, auch das Personal könne viel zielgerichteter dort eingesetzt werden, wo es tatsächlich gebraucht werde. Für Ohm entscheidend: „Der Faktor Mensch bleibt wichtigster Bestandteil, sinnvoll ergänzt durch konzeptionelle und nicht nur digitale Erweiterungen.“
Und einen weiteren Aspekt hob Ohm in diesem Zusammenhang hervor: „Auch die Regionalität wird immer stärker ausgespielt, neue Produktlinien lokaler Herkunft gelistet. Das bietet insbesondere für die kleinen Dorfläden mit naturgemäß stärkerer lokaler Verankerung entsprechende Vorteile.“
Eine Stärke des Erfahrungsaustausch-Formats bei MarktTreff ist die intensive Diskussion mit direktem Praxisbezug zum Dorfladen-Betrieb. Sowohl im Anschluss an die Vorträge als auch beim Besuch im nahen Kirchbarkauer MarktTreff-Laden debattierten die über dreißig Betreiber:innen und MarktTreff-Akteur:innen mit den geladenen Großhandels-Expert:innen.
Im Fokus standen Details und Unterschiede zwischen den präsentierten Hybrid-Modellen, beispielsweise hinsichtlich Diebstahlschutz oder Jugendschutz (Verkauf von Alkohol- und Tabakwaren). Fragen zu Möglichkeiten und Sinn von 24/7-Öffnungszeiten und Erfahrungen aus bisherigen Pilotprojekten wurden ausführlich erörtert. Zum Beispiel, inwieweit nach dem Umstellen eines bislang rein-personalbetriebenen Dorfladens auf ein neues hybrides Konzept – mit verlängerten Öffnungszeiten – tatsächlich neue Umsätze generiert würden. Oder ob die Umsätze lediglich im Tagesverlauf nach vorne oder hinten „wandern“ würden.
MarktTreff-Kaufmann Andreas Eckelmann aus Beidenfleth (Kreis Steinburg) griff eine der Eingangsfragen – „Wie blicken die drei ‚Großen‘ in die Zukunft?“ – auf und fasste die Gruppendiskussion zusammen: „Es ist wichtig für MarktTreffs, für kleine Dorfläden, dass sich alle Lieferanten, ob REWE, EDEKA oder Bela, zum ländlichen Raum bekennen.“ Dazu nahkauf-Vertriebsleiter Sebastian Stein: „Ich glaube, ich spreche da für alle drei anwesenden Unternehmen: Wenn wir das nicht unterstützen würden, wären wir drei heute nicht hier.“
Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs
Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de
Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de
Das Projekt MarktTreff wird gefördert durch den europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER), die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) und das Land Schleswig-Holstein.
Fotos: MarktTreff SH / ews group