Erfahrungsaustausch der MarktTreff-Gemeinden:
Fördermöglichkeiten, Bürgergenossenschaften und Digitalisierung in der Diskussion

G r o ß  V o l l s t e d t  MT 29.11.19 – Förderfragen, digitale Modellkommunen und das wachsende Interesse an Bürgergenossenschaften standen im Fokus des intensiven Erfahrungsaustauschs der MarktTreff-Gemeinden, zu dem sich über 40 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Gemeindevertreter und MarktTreff-Betreiber aus ganz Schleswig-Holstein in Groß Vollstedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) trafen. Eine Premiere: besitzt doch die 1.000 Einwohner zählende Gemeinde noch keinen MarktTreff, ist aber aktuell dabei, eine entsprechende Machbarkeitsstudie zu erarbeiten.

Groß Vollstedts Bürgermeister Thorsten Ladewig erläuterte, warum sich seine Gemeinde – fast im Herzen Schleswig-Holsteins gelegen und verkehrstechnisch gut angebunden – auf den Weg zu einem MarktTreff gemacht hat. „Bei uns funktioniert noch recht viel in unserem Dorf: Grundschule, Kita, Gewerbegebiet, Ärztehaus“, sagte Ladewig. Leider habe gerade die Apotheke geschlossen, was schon ein Verlust sei. „Aber wir haben noch einen Kaufmann – und diesen Laden wollen wir in die Zukunft führen.“ Das heißt für den Bürgermeister und seine Gemeinde, wenn sich durch die Machbarkeitsstudie ein Fenster für einen MarktTreff öffne, „wollen wir unbedingt in die Umsetzung kommen“.

Bürgermeister Thorsten Ladewig begrüßte die Teilnehmenden aus allen Teilen Schleswig-Holsteins.
Bereits vor Beginn des offiziellen Austauschs gab es zahlreiche Gespräche zwischen Teilnehmenden.
Groß Vollstedts Bürgermeister Thorsten Ladewig erläuterte die Vorzüge seiner Gemeinde mitten in Schleswig-Holstein.
Jürgen Blucha aus dem Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration gab einen Ausblick auf die nächste Förderperiode.

Wie Gemeinden am besten unterstützt werden können durch Mittel der EU, des Bundes und des Landes, erläuterte Jürgen Blucha, stellvertretender Abteilungsleiter Landesplanung und ländliche Räume im Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration (MILI). „Etwas salopp könnte ich sagen: es ist genug Geld da, allein wir bräuchten mehr Personal und Zeit, um alles abarbeiten zu können.“ Europäische Mittel aus der aktuellen Förderperiode würden noch bis einschließlich 2020 eingesetzt. Da für die kommende EU-Förderperiode 2021 bis 2027 die erforderlichen rechtlichen Grundlagen zur Umsetzung der neuen Strategiepläne der Mitgliedsländer noch nicht vorlägen, werde bereits jetzt davon ausgegangen, dass es eine mindestens ein- bis zweijährige Übergangszeit geben werde. Die EU-Kommission hat gerade einen Verordnungsentwurf für zunächst ein Übergangsjahr in 2021 vorgelegt. Gemeinden empfahl Blucha, konsequent ihre Projekte zu planen und nicht den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Geld für investive Maßnahmen werde weiterhin fließen können. 

Mit Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) sei ein neues Förderinstrument eingeführt worden: das „Regionalbudget“, das schleswig-holsteinische AktivRegionen beantragen könnten, um selbst kleinere Projekte damit zu fördern. Das Budget betrage jeweils 200.000 Euro, Antragsteller könnten daraus einen Zuschuss von bis zu 80% bei förderfähigen Gesamtkosten des Projektes von maximal 20.000 Euro erhalten. Zudem wies Jürgen Blucha darauf hin, dass ein bundesweiter Förder-Wettbewerb gestartet werden solle zum Thema Nahversorgung, finanziert über das BULE-Programm (Bundesprogramm Ländliche Entwicklung).

Christina Pfeiffer aus dem Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration gab Hinweise zum Sonderförderprogramm zur Modernisierung bestehender MarktTreffs.
Interessiert verfolgten die Teilnehmenden des Erfahrungsaustauschs die Beiträge der Inputgeber auf dem Treffen in Groß Vollstedt.
Dr. Gunnar Maus aus dem Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration machte insbesondere auf den im Dezember beginnenden Wettbewerb "Digitale Modellkommunen" aufmerksam.
Bernd Horstmann aus Glasau im Kreis Segeberg informierte über den aktuellen Sachstand in seiner Gemeinde, die derzeit eine Machbarkeitsstudie für einen MarktTreff erarbeitet.
Joachim Burgemeister vom Genossenschaftsverband - Verband der Regionen gab wichtige Hinweise für die Gründung von Bürgergenossenschaften.
Austausch zwischen Herzogtum Lauenburg und Segeberg: Bürgermeister Wolfgang Schmahl aus Gülzow (links) und Bürgermeister Gerd Sick aus Wiemersdorf

Christina Pfeiffer, MarktTreff-Verantwortliche im MILI, wies auf die Chancen hin, die das vom Land speziell für bestehende MarktTreffs aufgelegte Modernisierungs-Programm aus Mitteln der GAK biete. Als Grundvoraussetzung sind Ideen gefragt, die zu einer qualitativen Verbesserung der MarktTreffs führen. So könnten beispielsweise investive Maßnahmen umgesetzt werden, die zur Energieeinsparung führen, die Barrierefreiheit schaffen oder die durch kleine Umbauten das Angebot für den Treffpunkt erweitern. „Gemeinden können für eine Modernisierung bis zu 75 Prozent der Kosten – maximal 450.000 Euro – als Förderung erhalten. Auch private Betreiber können bis zu 45 Prozent Förderung beantragen.“ Christina Pfeiffers Tipp: „Setzen Sie sich frühzeitig mit den für Sie zuständigen Koordinatoren des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) in Verbindung und lassen Sie sich gezielt beraten.“

Dr. Gunnar Maus aus dem Innenministerium nahm die Teilnehmenden des Erfahrungsaustauschs mit auf eine konkrete Reise in die Welt der Digitalisierung – mit dem besonderen Augenmerk auf die Herausforderungen für Kommunen.

Maus zeigte sich überzeugt, dass die Digitalisierung eine Vereinfachung, Verbesserung und Erweiterung von Daseinsvorsorge im Interesse von Bürgerinnen und Bürgern bedeuten könne. Der Experte betreut im MILI den Aktionsplan Digitale Modellkommunen, der auf drei Säulen beruht. 1. die Webseite, um Informationen bereit zu stellen, 2. ein Wettbewerb, um Kommunen zu fördern und 3. das Ziel, ein Netzwerk aufzubauen in Schleswig-Holstein, um Erfahrungen auszutauschen. 

Über den Wettbewerb würden zehn Modellkommunen im Land ausgewählt, die eine Beratungsförderung für eine Strategieentwicklung über zwei Jahre erhielten. Im Dezember werde der Wettbewerb gestartet. Unterlagen zur Bewerbung seien, so Maus, auf der Homepage www.schleswig-holstein.de/digitalekommune zu finden. Ein Besuch der Webseite lohne sich in jedem Fall, um sich über Beispiele zu informieren und sich gegebenenfalls zu vernetzen. 

Bürgermeisterin Waltraud Meier aus Neuwittenbek im Gespräch mit Christina Pfeiffer aus dem MILI.
Kaufmann Ties Hansen und Bürgermeister Hartmut Jensen waren aus Schwabstedt an der Treene nach Groß Vollstedt gekommen.
Andreas Patzies (links) und Manfred Röhrs von der Bürgergenossenschaft Haale sprachen mit Oliver Ohm (BBE Handelsberatung).
Joachim Burgemeister (Genossenschaftsverband), Bürgermeister Bernd Holm (Haale) und Bürgermeister Heinz-Erich Puzich (Brodersby-Goltoft) tauschten sich über die erfolgreichen Neugründungen in den beiden Gemeinden aus.
Dieter Lorenz vom MarktTreff-Verein Groß Vollstedt und Dr. Dagmar Thiele-Gliesche, MarktTreff-Marktleiterin aus Kirchbarkau
Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung ging der intensive Austausch an den Tischen weiter.
Ulrike Anders (Mensing CONVENT) und Oliver Ohm (BBE Handelsberatung) fachsimpelten über Dorfläden und MarktTreffs.
Im Gespräch: Rainer Mertens (Bürgermeister von Brekendorf, links) und Jens Johannsen (Gemeindevertreter aus Großsolt)

Den aktuellen Weg zum MarktTreff in einer weiteren Gemeinde schilderte Bernhard Horstmann, 2. Stellvertretender Bürgermeister in Glasau (Kreis Segeberg). „Die Menschen dabei einzubinden ist sehr wichtig – ohne Rückhalt in der Bevölkerung funktioniert es nicht.“ Durch persönliche Befragungen sei in Glasau vieles an Bedürfnissen und Wünschen herausgefunden worden, was Bürgerinnen und Bürger wollten. „Jetzt stehen wir an dem Punkt zu überlegen, ob wir eine Bürgergenossenschaft oder einen Verein zur Unterstützung des MarktTreffs und des zukünftigen Ladens gründen." Denn solch ein Instrument sei ein wichtiges Element für den Erfolg.

Von einer ganz aktuellen Gründung einer Bürgergenossenschaft in einer MarktTreff-Gemeinde wusste Bürgermeister Heinz-Erich Puzich aus Brodersby-Goltoft zu berichten. In der überfüllten historischen Kirche wurde informiert und ausgiebig diskutiert – und dann erfolgreich gegründet: 123 Menschen zeichneten Anteile an der Genossenschaft. Mittlerweile sei die Zahl auf rund 170 angestiegen. „Das ist wahnsinnig schön zu sehen, wie viele Bürgerinnen und Bürger unseren MarktTreff erhalten und unterstützen wollen.“ In Brodersby-Goltoft will die Bürgergenossenschaft den Betrieb des seit 2005 bestehenden MarktTreffs übernehmen.

Jürgen Blucha aus dem Innenministerium bedankte sich bei den Teilnehmenden für den intensiven Austausch.
Eva Müller-Meernach (EMM - Kommunen und Projekte) und Jürgen Blucha, stellvertretender Abteilungsleiter im MILI
Groß Vollstedter Runde (von links nach rechts): Otto Christophersen, Mario Bollmeyer, Dieter Lorenz und Bürgermeister Thorsten Ladewig
Kommunale Reihe (v. l. n. r.): Ernst-Heinrich Jürgensen (Bürgermeister Heidgraben), Wolfgang Schmahl (Bürgermeister Gülzow), Gerd Sick (Bürgermeister Wiemersdorf) und Frank Mielewski (Gemeindevertreter Wiemersdorf)
Holger Petersen (Betreiber des MarktTreffs in Sehestedt) und Kerstin Rönick (MarktTreff-Projektmanagement / ews group)
Der MarktTreff-Erfahrungsaustausch fand mitten in Groß Vollstedt im Landgasthof statt.

Joachim Burgemeister vom Genossenschaftsverband – Verband der Regionen erklärte, dass das Interesse am Bürgergenossenschaftsmodell wachse. „Und die Gründung in einer Kirche hatte ich bisher auch noch nicht erlebt.“ Ein Leuchtturm wie der MarktTreff Barkauer Land mit seiner Bürgergenossenschaft ziehe positiv Nachfrager und Nachahmer nach sich. „Wir können das Thema schwer bewerben, aber durch so einen Leuchtturm kommen dann Menschen auf uns zu und lassen sich beraten.“ Die Gestaltung der Satzung sei von entscheidender Bedeutung, um eine Genossenschaft für die richtigen Zwecke nutzen und einsetzen zu können. Dies müsse nicht nur der Betrieb eines Dorfladens sein.

Genau dazu aber haben Bürgerinnen und Bürger in Haale (Kreis Rendsburg-Eckernförde) ihre Bürgergenossenschaft gegründet. „Wir haben in unserer Notsituation in Haale – die bisherige Betreiberin ist erkrankt – gehandelt, um unseren Laden am Laufen zu halten“, so Bürgermeister Bernd Holm. Mit Hilfe der Bürgergenossenschaft seien jetzt auch 16 Ehrenamtler mit eingebunden, um den Betrieb zu sichern. 

Etwas kritisch zu den Kosten einer Bürgergenossenschaft äußerte sich Marktleiterin Dagmar Thiele-Gliesche vom MarktTreff Barkauer Land. „Es wäre wünschenswert, wenn es so eine Art „Lightversion“ für Dorfläden geben würde, da die jährlichen Kosten gemessen am Ertrag eines solchen Ladens doch recht hoch sind.“ Joachim Burgemeister antwortete, dass eine verlässliche Prüfung auch einen Sicherheitsfaktor für die Genossenschaftsmitglieder darstelle, meinte aber ergänzend, dass eine spezielle Dorfladen-Variante zu begrüßen sei – an der auch auf Bundesebene seit langer Zeit gearbeitet werde.

Nach dem Austausch in großer Runde führten viele der Teilnehmenden in kleinen Gruppen ihre Gespräche noch lange fort – gestärkt durch Gulaschsuppe und Schnittchen im Landgasthof Groß Vollstedt.

nach oben