Neuer MarktTreff, Erfahrungsaustausch und Informationen für Nordrhein-Westfalen – Staatssekretäre diskutieren über ländliche Räume
W i e m e r s d o r f / D e l v e / D u i s b u r g / V i e h b r o o k MT 10.04.2018 – Der 39. MarktTreff in Schleswig-Holstein ist in Wiemersdorf offiziell eröffnet, die Betreiberinnen und Betreiber von MarktTreffs trafen sich zum Erfahrungsaustausch in Delve und die Senioren-Union Nordrhein-Westfalen ließ sich auf einer Konferenz in Duisburg ausgiebig über MarktTreff Schleswig-Holstein informieren. Staatssekretär Ingbert Liebing, Bevollmächtigter des Landes Schleswig-Holstein beim Bund in Berlin, diskutierte im MarktTreff Viehbrook auf der Veranstaltung „Land.Leben.Zukunft.” über die Zusammenarbeit von Bund, Land und Kommune bei der Entwicklung ländlicher Räume.
Nr. 39: MarktTreff Wiemersdorf offiziell eröffnet
Eingerahmt von flotter Blasmusik und harmonischem Chorgesang eröffnete jetzt Bürgermeister Gerd Sick offiziell den MarktTreff Wiemersdorf im Kreis Segeberg. Zahlreiche Gäste aus der AktivRegion, Kreis, Amt, Nachbargemeinden und Einheimische verschafften sich vor Ort einen Eindruck vom neuen Dorfmittelpunkt der Gemeinde. Mit zahlreichen Treffmöglichkeiten setzt der neuer MarktTreff am ehemaligen Standort des Gasthofs „Zur Post” ein Zeichen. Wirtschaftliche Säulen sind die Gastronomie „Hausmannspost” von Philip Stachura und das Bistro „Coffee & Snacks” mit kleiner Einkaufsmöglichkeit von Gabi und Ronald Paul, das aus einem Nachbargebäude in den Neubau gezogen ist.
Bürgermeister Sick bedankte sich bei den vielen Beteiligten, die zum Gelingen des Neubaus beigetragen hätten. Insbesondere aber bei dem ehemaligen Polier Klaus Jörck, der sich nahezu täglich für die Gemeinde um den Baufortgang gekümmert habe. Das Wiemersdorfer Vorhaben wurde vom Land Schleswig-Holstein als Leitprojekt mit 750.000 Euro gefördert. „Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie vielfältig MarktTreffs in Schleswig-Holstein entwickelt und umgesetzt werden können”, sagt Ingwer Seelhoff vom MarktTreff-Projektmanagement.
Bereits seit Januar war der MarktTreff in einer „weichen” Testphase sehr gut angenommen worden. So auch von den Jecken und Narren, die seit über 40 Jahren in Wiemersdorf ihren Latuff-Karneval feiern – nun zum ersten Mal im neuen modernen Saal.
Erfahrungsaustausch erstmals im MarktTreff Delve
Die Themen „Wie werden Backwaren zum Verkaufsschlager?” und „Wie werden neue Gemeindevertretungen für MarktTreffs begeistert?” standen im Fokus des ersten Erfahrungsaustauschs 2018 der MarktTreff-Betreiber und -Betreiberinnen, der erstmals im MarktTreff Delve (Kreis Dithmarschen) stattfand.
Bürgermeisterin Petra Elmenthaler betonte in ihrer Einführung, warum man mit den Gemeinden Wallen und Hollingstedt kooperiere: „Wir brauchen interkommunale Zusammenarbeit, alleine schaffen wir das nicht.” Der MarktTreff bilde die Mitte der Gemeinden – und das sei auch gut für den Dorfladen. Betreiberin Berit Thomsen: „Ich setze in meinem kleinen 60-Quadratmeter-Laden nicht nur auf herkömmliche Produkte, sondern verkaufe hier viele regionale Lebensmittel und Bioprodukte.” Der beste Bäcker Dithmarschens vertreibe bei ihr sein Brot. „Die Backwaren spielen eine ganz wichtige Rolle, sie rangieren an zweiter Stelle beim Umsatz.”
Ein Punkt, an den Matthias Retzlaff, geschäftsführender Vorstand der Bäckerei-Einkaufsgenossenschaft BÄKO Schleswig-Holstein eG, anknüpfte und darauf verwies, dass er den Umsatzanteil von Backwaren in Lebensmittelgeschäften auf 15 bis 35 Prozent einschätze. „Backwaren im Hause sind ein Frequenzbringer”, so Retzlaff, „und die Verdienstspanne kann überdurchschnittlich gut sein." Deswegen plädiert der Geschäftsführer für eine besondere Pflege dieses Bereichs. Dies werde mit Top-Qualität, Kundenservice, Freundlichkeit, richtigem Sortiment, perfekter Präsentation und Umsatzanreiz für das Personal erreicht. Ein weiterer Tipp: „Mehr belegte Brötchen mit Stil - und ,Fingerfood’ fürs Auto, die auch wirklich einfach zu verzehren ist.” In der Diskussion waren junge Leute ein Thema, die heutzutage viel weniger Brot und Brötchen kauften als die Älteren. „Beispielsweise mit einer Kundenkarte kann eine dauerhaftere Beziehung aufgebaut werden", empfahl Retzlaff.
Im Vorfeld der anstehenden Kommunalwahl am 6. Mai 2018 wies Hans-Joachim Am Wege vom Schleswig-Hosteinischen Gemeindetag darauf hin, dass es vielerorts Veränderungen und eine Verjüngung in den Gemeindevertretungen geben werde. Die Begeisterung für diese ehrenamtliche Arbeit sei aber sehr unterschiedlich in den Dörfern. „Da, wo etwas in Jugendarbeit und Dorfgestaltung passiert, finden sich auch interessierte Mitgestalter”, so Am Wege. Von positiven Erfahrungen in seiner Gemeinde berichtete Gero Neidlinger, Bürgermeister in Borgstedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde): „Wir haben sechs Neue, die sich zur Wahl stellen – da hatten wir keine Probleme.” Wichtig sei es, so Volker Stiefel, MarktTreff-Betreiber in Tetenhusen (Kreis Rendsburg-Eckernförde), bereits jetzt die neuen Kandidaten anzusprechen und sie mit dem Thema MarktTreff vertraut zu machen.
Thematisiert wurden die sehr hohen Kindergarten- und Schulkosten für die Gemeinden, die oft keine Spielräume mehr lassen würden, um andere Dinge im Dorf zu unterstützen oder umzusetzen. „Das ist dann sehr frustrierend für viele in der Gemeindevertretung und blockiert neue Ideen”, fand Gemeindevertreter Jens Gustav Johannsen aus Großsolt. Am Wege wies darauf hin, dass sich der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag bemühe, mehr Entlastungen für die Gemeinden beim Land zu erreichen. Aber das brauche Zeit und helfe jetzt den Gemeinden noch nicht vor Ort.
Um eine höhere Beteiligung bei Sitzungen oder Seminaren zu erzielen, gab es den Vorschlag, die Zeiten besser an die Bedürfnisse von Berufstätigen anzupassen. Und Frank Jedicke von der Bürgergenossenschaft Barkauer Land sprach die gegenseitige Wertschätzung für die Arbeit in ehrenamtlichen Führungspositionen an. „Da wird sich aufgeregt, wenn einer sein Amt nach langer aktiver Zeit abgeben möchte – aber all die Zeit, die ein Mensch da Arbeit reingesteckt hat, wird kaum gewürdigt.”
Konferenz zu „Versorgung im Ländlichen Raum" in Duisburg
Dass Nordrhein-Westfalen nicht ein einziger städtischer Raum ist, sondern zahlreiche ländliche Räume besitzt, die vor Herausforderungen stehen, wurde auf der Funktionsträgerkonferenz der Senioren-Union des bevölkerungsstärksten Bundeslandes in Duisburg klar. MarktTreff Schleswig-Holstein war vom Landesvorsitzenden Leonhard Kuckart eingeladen worden, um Ansatz, Vorgehensweise und Erfahrungen des multifunktionalen Nahversorgungsmodells den 140 Konferenzteilnehmenden vorzustellen. Nach seinem Vortrag diskutierte Projektmanager Ingwer Seelhoff im Anschluss Fragen der Nahversorgung und der ländlichen Räume gemeinsam mit Dr. Heinisch, Staatssekretär des neuen Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen, Regina Selhorst, Präsidentin des Westfälisch-Lippischen LandFrauenverbandes, Jutta Kuhles, Vizepräsidentin des Rheinischen LandFrauenverbandes. Moderiert wurde die Runde von Journalist Rainer Mohrmann, der sowohl das Leben auf dem Lande in Schleswig-Holstein als auch in Nordrhein-Westfalen kennt.
Ein Geheimnis des schleswig-holsteinischen MarktTreff-Modells sei die Geschlossenheit auf lokaler, aber auch auf Landesebene. Seit Ende der 1990er Jahre hätten die Landesregierungen - unabhängig davon ob CDU- und SPD-geführt – das Vorhaben vorangetrieben und Menschen zum Handeln ermuntert. Auf der anderen Seite sei der örtliche Schulterschluss über unterschiedliche politische Haltungen hinweg bei solch einem Thema ein wichtiger Faktor. Staatssekretär Dr. Jan Heinisch betonte, dass die NRW-Landesregierung gerade den Entwurf des Dorferneuerungsprogramms veröffentlicht habe, das öffentliche Unterstützung für Investitionen in ländlichen Räumen vorsehe.
Die Konferenz- und Diskussionsteilnehmenden zeigten großes Interesse an den MarktTreffs aus dem echten Norden - gerade auch in Hinblick auf die Bedeutung, die diese Einrichtungen in Dörfern für Seniorinnen und Senioren bedeuten.
Auf große Resonanz stieß der Vorschlag von LandFrau Jutta Kuhles, einen „Runden Tisch” zum Themenfeld Defizite und Entwicklungen im ländlichen Raum einzurichten. Daran sollten sowohl die jüngere wie die ältere Generation beteiligt werden, um innovative Lösungen zu initiieren.
Staatssekretär Liebing: hoher Stellenwert der ländlichen Entwicklung
Die ländlichen Regionen standen auch im Mittelpunkt der Veranstaltung „Gemeinsam Zukunft gestalten: die Zusammenarbeit von Bund, Land und Kommune bei der Entwicklung der Ländlichen Räume”, zu der in der Reihe „Land.Leben.Zukunft” Staatssekretär Ingbert Liebing, Bevollmächtigter des Landes Schleswig-Holstein beim Bund in Berlin, zum MarktTreff Viehbrook (Kreis Plön) gekommen war. Nach einer Einführung in die Thematik durch die Gastgeber Christian Rahe und Kirsten Voß-Rahe stellte Staatssekretär Liebing heraus, dass die ländlichen Räume und damit die ländliche Entwicklung sowohl bei der schleswig-holsteinischen Landesregierung als auch der neuen Bundesregierung einen sehr hohen Stellenwert hätten. Dies sei eine große Chance.
In der Diskussion wurde deutlich, dass Fördergelder allein keine Lösung seien. Es brauche Menschen mit kreativen Ideen und überzeugenden Konzepten, die von einer entsprechend leistungsstarken Verwaltung unterstützt würden. Dabei sei es grundsätzlich eine schleswig-holsteinische Stärke, in den über 1.100 selbstständigen Gemeinden vieles vor Ort noch vorantreiben und entscheiden zu können. Dies sei ein ganz wichtiger Aspekt, so Liebing, eine von oben verordnete Gebietsreform komme für ihn daher nicht in Frage.